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Kultur: Ein Fest für die Heimat „Black Lux“ im Ballhaus Naunynstraße

zeigt die schwarze Community.

Manchmal braucht es keinen groben Rassismus, um einen verzweifeln zu lassen. Unbedachtheit genügt schon. Mehrfach ist Wagner Carvalhos Veranstaltungsreihe „Black Lux“ in Zeitungskalendern als „Afrika-Festival“ angekündigt worden. Vermutlich, weil auf den Bildern schwarze Künstler zu sehen sind. Bedauerlich, dass man es im Jahr 2013 noch betonen muss: Es soll auch deutsche Menschen geben, die keine weiße Haut haben. Carvalho erzählt diese Anekdote eher beiläufig. Der gebürtige Brasilianer ist generell kein aufgeregter Typ. Eher ein besonnener Aktivist und Ermöglicher, der die Kunst sprechen lassen will.

Seit Beginn dieser Spielzeit leitet Carvalho zusammen mit Tuncay Kulaoglu das Ballhaus Naunynstraße in der Nachfolge von Shermin Langhoff. Weil beide dem Haus lange verbunden sind, ist es ein Aufbruch im Zeichen von künstlerischer Kontinuität und sanfter Neuerung, wobei sich durchaus die Akzente verschieben. Dafür steht das Eröffnungsfestival „Black Lux“, das bis Ende September Fragen der Identität und Erfahrungen von Diskriminierung in den Fokus nehmen wird. Unter Beteiligung von „schwarzen Künstlern aller Couleur“, wie Carvalho sagt.

Es gab zuletzt die Blackfacing-Debatten und die breit geführten Diskussionen um das N-Wort in Kinderbüchern. Ein geschärftes Bewusstsein für schwarze Belange beobachtet Wagner Carvalho zwar, aber noch lange keinen reflektierten Umgang mit Zuschreibungen und Vorurteilen. Im Keller des Ballhauses erzählt eine Videoinstallation von Branwen Okpako ihre ganz eigene Geschichte dazu, „Seh' ich was, was du nicht siehst?“ benannt. Auf der mittleren Leinwand läuft Rainer Werner Fassbinders „Whity“ von 1971, ein Südstaaten-Psycho-Melodram mit Günther Kaufmann in der Rolle eines geknechteten Familiendieners. Auf den Schirmen links und rechts davon sieht man der Künstlerin Okpako und dem Schauspieler Ernest Hausmann beim Betrachten und Kommentieren des Films zu. An einer Stelle erzählt Hausmann, er höre gerade im Filmbusiness oft, Rassismus sei doch heute kein Problem mehr. Warum, fragt er lapidar, werde er dann bei jedem Besuch eines Badesees angepöbelt?

Auf einem Foto im Treppenhaus des Theaters hält eine junge Frau ein Schild mit der Aufschrift „End Police Brutality“ hoch. Sie demonstriert gegen den Tod von Paul Anthony Maxwell, der 1998 sechs Polizeikugeln zum Opfer fiel. Eine Tafel daneben stellt die Verbindung her zu Fällen wie dem von Trayvon Martin, der in Florida von einem Bürgersheriff erschossen wurde. Weit weg? Die Künstlerin Deborah Moses-Sanks, die im Ballhaus die Fotoausstellung „On Common Ground“ gestaltet hat, würde das anders sehen. Sie stellt Aufnahmen des senegalesischen Schöneberger Schneiders neben die Jazzmusikerin aus Harlem. „Die Porträts verkörpern und bilden meine Community in den Vereinigten Staaten, Nicaragua und Deutschland ab“, schreibt Moses-Sanks.

Die zweite Ausstellung, „Homestory Deutschland“, unterstreicht diese Vielstimmigkeit, indem sie schwarze Menschen aus Deutschland mit ihren Biografien sprechen lässt. Von der Krankenschwester über die Rechtsanwältin bis zum Fußballer Otto Ado. Und die nebenbei an Deutschlands gern verdrängte koloniale Vergangenheit erinnert.

Es ist ein Festival, dessen Facettenreichtum viel verspricht. Der Auftakt jedenfalls ist kraftvoll geglückt – auch mit der Performance „Woman Part Two“ von Annabel Guérédrat und ihrer Compagnie Artincidence, die zwischen Frankreich und Martinique beheimatet ist. Drei Performerinnen umkreisen darin mit wutbefeuerter Lust die Projektionen und plumpen Anmachen, denen sie sich als schwarze Frauen ausgesetzt sehen. „You are not really black“, sprechen sie in einer Szene höhnisch nach: Du bist ja nicht wirklich schwarz. Patrick Wildermann

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