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Kultur: Ein kleiner Herzton

Empathie und Dringlichkeit: Die Galerie Parterre entdeckt den Zeichner Paul Holz wieder

Am liebsten zeichnete Paul Holz mit selbst geschnitzten Rohrfedern oder Federkielen. Der Sohn pommerscher Bauern war Autodidakt und im Brotberuf Volksschullehrer. Im Jahr 1925 berief ihn die angesehene Breslauer Kunstakademie als Zeichenlehrer, auch zum Fachberater für den Zeichenunterricht in Pommern wurde er befördert.

Meistens nachts brachte er aus der Erinnerung zu Papier, was ihm in seinem Tagleben nahegegangen war: die gebeugte Haltung einer Trauernden am Grab, einen Stier, der von zwei Schlächtern zur Schlachtbank gezerrt wird, ein sich aufbäumendes Pferd, Zirkusszenen oder die eigenen Geschwister auf dem Krankenbett, die einer nach dem anderen an Schwindsucht starben.

In den Gesichtern verknäueln sich die expressiven Schwünge der Zeichenfeder zu schwer durchdringlichen Schattenpartien. So düster und beinahe blicklos hat Paul Holz sich auch selbst porträtiert. Fjodor Dostojewskis „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ gehörten zu seinen Lieblingsbüchern und inspirierten etliche Illustrationen. Doch die Zeichnungen atmen weder Morbidität noch scharfe Anklage, ihnen fehlt die Aggressivität, mit denen etwa sein Zeitgenosse George Grosz zu Werke ging, genauso wie das Drollige von Zille-Blättern. „Ich habe viel Krankheit und Elend gesehen und dieses Erlebnisse drücken sich in meiner Kunst aus“, sagte Holz. Eine stille Empathie mit der leidenden Kreatur, ob Tier, ob Mensch, grundiert alles und überträgt sich auf den Betrachter: „In jeder Zeichnung ist ein kleiner Herzton.“

Kommerziell und politisch wollte Holz sich nie vereinnahmen lassen. Das reichte, um in der Nazizeit von allen Schulämtern suspendiert und mit Ausstellungsverbot belegt zu werden. 1938 starb Holz in Schleswig, eine Gedächtnisausstellung in Berlin untersagten die Behörden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die schmale Rezeption auf DDR-Gebiet beschränkt, der Höhepunkt war 1983 eine Retrospektive zu Paul Holz’ 100. Geburtstag in der Alten Nationalgalerie. Im Jahr 2007 erbte die Berliner Akademie der Künste von der Tochter des Zeichners ein Konvolut bestehend aus über 300 seiner Zeichnungen, Büchern, Briefen und Feldpostkarten. Daraus sind 73 Zeichenblätter nun unter dem Titel „Der Zeichner Paul Holz“ in der Galerie Parterre am öden Thälmannpark ausgestellt, da sich die Wiedereröffnung der Prater-Galerie an der Kastanienallee verzögert. Das ist schade, wurde doch so die Chance verspielt, ein größeres (Lauf-)Publikum für die unaufdringliche Zeichenkunst von Paul Holz zu interessieren.

Galerie Parterre, Danziger Straße 101, Prenzlauer Berg, bis 15. Mai, Mi.–So. 14 bis 20 Uhr

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