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Kultur: Eine flog über das Kuckucksnest

Unter Pseudonym: ein Krimi von J. K. Rowling.

Es war, sagt Joanne K. Rowling, eine befreiende Erfahrung, Robert Galbraith zu sein. Seit April gibt es ein neues Buch der 46-jährigen Harry-Potter-Autorin auf dem englischen Markt, einen Krimi unter dem bezeichnenden Titel „The Cuckoo’s Calling“, („Der Kuckucksruf“). Bloß dass niemand wusste, dass das Buch von ihr stammt. Wie die britische „Sunday Times“ herausfand, steckt hinter dem Pseudonym Robert Galbraith die mit weltweit über 500 Millionen verkauften Harry-Potter-Romanen erfolgreichste Schriftstellerin der Gegenwart. Sie wollte, erklärte sie dem Blatt, einmal etwas ohne den Hype und die hohen Erwartungen veröffentlichen. „Es war ein pures Vergnügen, Kritiken und Feedback unter einem anderen Namen zu bekommen.“

In dem Krimi geht es um den mysteriösen Tod eines Models im Londoner Nobelviertel Mayfair, das von einem verschneiten Balkon fällt. Held des Buchs ist der Kriegsveteran Cormoran Strike, der inzwischen als Privatermittler arbeitet und den Fall untersucht. Das Buch war vom Verlag als Debütroman eines ehemaligen Mitglieds der britischen Militärpolizei annonciert worden, es hatte in England gute Kritiken. Eine Zeitung lobte das „funkelnde Debüt“, ein anderer Krimi-Autor schrieb, seit der Lektüre wisse er wieder, warum er dem Genre einfach nicht widerstehen könne. Einem dritten Rezensenten fiel auf, wie gut der vermeintlich männliche Autor Frauenkleidung beschreibt – was jedoch nicht zwangsläufig auf eine weibliche Verfasserin hinweist.

Trotz der positiven Rezensionen verkaufte sich „The Cuckoo’s Calling“ schlecht. Nur 1500 gebundene Exemplare gingen über den Ladentisch, mit der „Enttarnung“ dürften die Verkaufszahlen jetzt in die Höhe schnellen.

Die „Sunday Times“ war auf Rowling gekommen, weil sie und der vermeintliche Debütautor den gleichen Literaturagenten haben und den gleichen Verleger, David Shelley vom Verlag Little, Brown and Company. Außerdem fand man, dass der Krimi für einen Erstling erstaunlich gut geschrieben sei, auch fielen stilistische Ähnlichkeiten mit Rowlings erstem Erwachsenen-Roman auf: „The Casual Vacancy“ war im September 2012 erschienen und zeitgleich unter dem Titel „Ein plötzlicher Todesfall“ auf Deutsch herausgekommen, nach einer Woche waren 375 000 Exemplare verkauft. Sie und „Todesfall“-Verleger Shelley seien gute Komplizen gewesen, sagte Rowling. Eigentlich hatte sie gehofft, die Anonymität könnte länger gewahrt bleiben.

Die Zeitung hatte jedoch zwei Linguisten von der Oxford University und der amerikanischen Duquesne University in Pittsburgh mit genaueren Analysen beauftragt. Nach Vergleichen mit „Ein plötzlicher Todesfall“ und einigen Potter-Romanen bestätigten beide die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei Galbraith um Rowling handeln muss.

Nach Informationen der „Sunday Times“ soll der nächste, bereits fertig geschriebene Cormoran-Strike-Krimi 2014 erscheinen – wieder unter dem Namen Galbraith. Dass Schriftsteller unter Pseudonym schreiben, auch wenn ihre wahre Identität bekannt ist, kommt häufiger vor. Sie nutzen den nom de plume, wenn sie Ausflüge ins Fach der Unterhaltungsliteratur unternehmen oder weil sie testen wollen, ob nur ihr berühmter Name zu hohen Verkaufszahlen führt. So schreibt Stephen King unter anderem unter dem Pseudonym Richard Bachman, auch nachdem er vor längerer Zeit von einem Buchhändler enttarnt wurde. Der Schweizer Philosoph Peter Bieri verfasste als Pascal Mercier bisher vier Unterhaltungsromane; sein bekanntester ist der inzwischen mit Jeremy Irons und Lena Olin verfilmte „Nachtzug nach Lissabon“. chp (mit dpa)

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