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Kultur: Entschleiert

Abschied vom Kopftuch: die Doku „Hüllen“

Eine algerischstämmige Pariserin wird von ihrem ägyptischen Ehemann gebeten, keinen Niqab mehr zu tragen, weil ihr das in Frankreich nach dem Verbot der Ganzkörperverschleierung Schwierigkeiten einbringe. Die Frau, Enkelin eines muslimischen Geistlichen in Algier, wehrt sich vehement gegen das Ansinnen ihres Mannes: Die Moschee, in der ihr Großvater predigte, wurde von den französischen Besatzern in eine christliche Kirche umgewandelt. Der Schleier wurde für die Frau zum Symbol nicht nur des religiösen, sondern auch des politischen Widerstands gegen die Franzosen. Diese Geschichte war kürzlich in der „SZ“ zu lesen. Sie zeigt, dass die Gründe, weshalb muslimische Frauen sich verschleiern, äußerst vielfältig sind.

Emel Zeynelabidin, die 1960 in Istanbul geborene Protagonistin von Maria Müllers Dokumentation „Hüllen“, ist als Tochter einer türkischen Mutter und eines irakischen Vaters in Deutschland aufgewachsen. Im Film erzählt sie, wie sie sich langsam von den traditionellen Vorschriften des Islams löste, um schließlich für eine liberalere Auffassung der Regeln des Korans zu kämpfen. Symbolisch für sie war das Ablegen des Kopftuchs, nachdem sie vorher bereits zusammen mit einer Berliner Designerin alternative Verschleierungsformen entwickelt und auch selbst getragen hatte. Emel Zeynelabidin ist eine beredte, differenziert argumentierende Frau und deshalb seit mehreren Jahren eine begehrte Gesprächspartnerin überall da, wo der interreligiöse Dialog geführt wird.

Für die Filmemacherin Maria Müller kann es nicht schwer gewesen sein, ihre Protagonistin zu finden, die sich sozusagen selbst erklärt. Und dass sie nebenbei auch deren Mutter und Tochter interviewt und ein wenig Amateurmaterial aus dem Archiv der Familie in ihren Film montiert hat, liegt nahe. Entstanden ist eine konventionelle Dokumentation, die niemals einen Verleih gefunden hätte, wenn sie nicht auf ein ganz bestimmtes Publikum zugeschnitten wäre: auf alle, die in gut gemeinter Entrüstung über patriarchale Sitten muslimischen Frauen das Kopftuchtragen verbieten wollen und dabei übersehen, dass das den westlichen Vorstellungen von der Freiheit des Individuums zuwiderläuft. Daniela Sannwald

fsk am Oranienplatz; Website zum Thema: www.qantara.de

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