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Achtung Berlin. Adolf Hitler (Oliver Masucci) betrachtet seine alte und neue Bühne.

© Constantin Film

"Er ist wieder da" im Kino: Alles auf Adolf

David Wnendt hat den Bestseller „Er ist wieder da“ von Timur Vermes verfilmt – und einen falschen Hitler unters echte Volk geschickt.

Vergangene Woche im Hotel Adlon. Der US-amerikanische Fernsehsender History Channel stellt eine neue Doku-Reihe vor. Die eigens eingeflogene internationale Journalistenschar – meist Lateinamerikaner – wird beherbergt, bewirtet und im Bus durch Berlin chauffiert. Sozusagen an die alten Wirkungstätten. Titel der Reihe: „Hunting Hitler“. Die mit allerlei „Indizien“-Geklingel verhandelte These: eine Flucht Hitlers 1945 aus dem belagerten Berlin sei möglich gewesen, sein Selbstmord im Führerbunker nicht bewiesen.

Quatsch mit Soße einer an chronischer Hitleritis leidenden Fernsehmeute, die mit der Vermarktung des auf ewig untoten Diktators Quote und Kasse machen will? Nein, Prophetie! Erwacht doch der "Führer" in dieser Woche zu neuem altem Leben. In Theaterrauch und Schwefeldampf, wie vom Himmel gefallen oder von der Hölle ausgespien. Auf einer Brache in Berlin-Mitte und damit auf Hunderten von Kinoleinwänden. Am Donnerstag startet die Verfilmung von Timur Vermes’ Bestseller „Er ist wieder da“ in den deutschen Kinos. Und wenn nicht alles täuscht, wird das Interesse an der von Constantin Film produzierten und mit Christoph Maria Herbst und Katja Riemann prominent besetzten Komödie beträchtlich sein. Ist es ja immer, wenn der Kerl mit dem Bärtchen dabei ist.

Hitler sells, Hitler ist Pop. „Banalisierung des Bösen“ hat Daniel Erk das Medienphänomen vor drei Jahren in dem Buch „So viel Hitler war selten“ zutreffend genannt. Siebzig Jahre nach dem Länder verheerenden und Millionen Tote hinterlassenden Ende des „Dritten Reiches“ ist der Diktator in Büchern, Fernsehen, Kino, Internet zum wahlweise mit Nonsens oder Bedeutung aufladbaren Abziehbild geschrumpft. Eine Welle, die Vermes’ Satire von 2012 parodiert wie bedient. In Deutschland wurde das Buch zwei Millionen Mal verkauft, 41 Länder haben die Lizenz erworben, die Verfilmung komplettiert die Auswertung. Auf die in „Er ist wieder da“ gesetzte Prämisse, dass Hitler auf das Deutschland von heute trifft, ist vorher auch schon Comicautor Walter Moers in „Adolf, die Nazi-Sau“ gekommen. Und das Parallelleben des Verbrechers als kultureller Witzfigur hat mit Chaplins „Großem Diktator“ schon während seiner politischen Amtszeit begonnen. In Deutschland haben ihn zuletzt Tom Schilling und Martin Wuttke dargestellt.

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Dieser Hitler ist weder Dämon noch Clown

Und jetzt, wo RTL schon für 2017 die nächste Serie über Hitlers Leben angekündigt, tritt der Burgschauspieler Oliver Masucci unter der Regie von David Wnendt als Reichskanzler a. D. an. Er hat sich nach eigener Aussage ein bisschen bitten lassen. Masuccis Hitler ist weder Dämon noch Clown, ein – gemessen am realen, gegen Ende des Krieges erloschen wirkenden Ex-Charismatiker – eigentlich zu stattlicher Mann. Nur logisch, dass dessen schneidige, von keinerlei Zweifel angekränkelte Selbstgewissheit unter den verweichlichten Medienwürstchen der ach so libertären Jetztzeit einschlägt wie eine Bombe.

Denn genau dort landet der zu seinem eigenen Erstaunen im Jahre 2014 erwachte Hitler, nachdem er seines Stabs und der Reichskanzlei beraubt, erst mal bei einem Zeitungskioskbesitzer unterkommt: im Fernsehen, wo er von Medienmachern wie Quotenvolk fälschlicherweise für einen Comedian gehalten wird. Nicht lange und der von den propagandistischen Möglichkeiten von TV und „Internetz“ begeisterte Gröfaz hat die Massen und seine Sekretärin Fräulein Krömeier im Griff, wobei sich „Er ist wieder da“ gleichermaßen als Politsatire auf die zahnlose Demokratie wie als Mediensatire auf das verrottete Fernsehgeschäft anschauen lässt.

Das Buch bezieht seinen Witz aus Hitlers subjektiver Sicht, in der der Ich-Erzähler im verschwurbelten Sprachduktus des historischen Originals moderne Errungenschaften wie den Müsliriegel oder die Computermaus kommentiert. Dieser zwiespältige, zum Lachen mit- und nicht zum Lachen über Hitler einladende innere Monolog hat es in Rudimenten auch in die Verfilmung geschafft. Auch die ersten und letzten Sätze Hitlers – das verblüffte „Das Volk hat mich wohl am meisten überrascht“ und das siegesgewisse „Damit kann man arbeiten“ – sind hier wie dort identisch. Eine Werktreue, die David Wnendt dazwischen aber glücklicherweise zugunsten eines zweiten, viel relevanteren Plots eingedampft hat.

David Wnendt denkt originell und angstfrei

Dass der Absolvent der Babelsberger Filmhochschule Konrad Wolf originell, eigensinnig und angstfrei ist, hat er mit dem wuchtig-wahren Neonazi-Drama „Kriegerin“ und der frechfrischen Verfilmung von Charlotte Roches Bestseller „Feuchtgebiete“ bewiesen.

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In „Er ist wieder da“ kombiniert er nun den Aufstieg des Obernazis inklusive eines fiktiven Erscheinens des echten Romans mit Mockumentary-Szenen in Sacha Baron Cohens „Borat“-Stil. Das macht den Film formal zu einem merkwürdigen Hybriden und bremst das komödiantische Tempo. Diese Nazisatire hat nichts vom burlesken Dumpfbackenkrawall, wie sie jüngst in Dietrich Brüggemanns „Heil“ zu sehen war. Dafür schaut Wnendts Gesellschaftspanorama tief in Volkes Seele.

Denn was macht der Volkstribun, wenn er wissen will, wie es tickt? Er geht auf Reisen. In Begleitung seines Entdeckers, des Fernsehreporters Fabian Sawatzki (lieb: Fabian Busch), der erkennen muss, dass der Führer als erklärter Natur- und Tierfreund keine Skrupel hat, kalt lächelnd Kaffeebecher ins Bergpanorama zu werfen oder – peng! – Hündchen zu erschießen. In den Spielszenen. In den pseudodokumentarischen Episoden, die 25 von 105 Filmminuten ausmachen und absichtsvoll nahtlos mit den Spielszenen verknüpft sind, ist noch viel Bestürzenderes zu sehen: ein Deutschland, das einen falschen Hitler, also Oliver Masucci, ohne nennenswerte Irritation als echten begrüßt und akzeptiert. Samt seinen dankbar befürworteten rechten Parolen.

In jeder Kneipe ist sofort einer auf Hitler eingestiegen

David Wnendt schüttelt darüber im Interview noch ein gutes Jahr nach den Dreharbeiten den Kopf. Egal, wo die Hitler-Figur samt Kamerateam hingekommen sei, glich sich das Bild, erzählt er. „Nach zehn Minuten gab es in jeder Kneipe, auf jedem Platz wenigstens einen, der auf alles, was Hitler gesagt hat, eingestiegen ist. Egal ob im Osten oder Westen, ob jung oder alt, sie haben sofort auf auf die Stichworte Ausländer und Demokratie reagiert und mit Wut im Bauch gegen Überfremdung und Islamisierung gewettert.“ Bei offen laufender Kamera. Einem kostümierten Schauspieler gegenüber.

Genau das hat Wnendt am Stoff gereizt. Nicht die x-te Parodie, der x-te Slapstick, sondern die Möglichkeit, die Hitler-Figur als Agent Provocateur auf das Deutschland von heute loszulassen und den von ihm festgestellten Rechtsruck spürbar zu machen.

Herausgekommen sind gespenstische Szenen, wie die auf dem Marktplatz von Bayreuth, wo sich Ex-Kunstmaler Hitler den Passanten als Porträtzeichner anbietet. Und was machen die? Lassen sich zeichnen. 80 Euro habe Masucci mit seinen Kritzeleien eingenommen, erzählt Wnendt. Atemstockend grotesk wird es, als eine schwarze Frau auf Hitlers Frage, ob ihr das Bild gefalle, antwortet: „Ich habe Angst, Nein zu sagen.“ Immerhin: Ein Mann kritisiert Hitlers Auftritt. Sonst hat es bei dieser filmischen Feldforschung nur in Berlin-Kreuzberg und Friedrichshain Ablehnung statt Akzeptanz gegeben. Da wurde der im Cabrio vorbeifahrende Film-Hitler beschimpft und auf einer Party angegriffen. „Wäre auch traurig gewesen, wenn nicht“, sagt David Wendt, der 1977 in Gelsenkirchen geboren wurde und heute in Berlin lebt.

Regisseur David Wnendt hält dem Land den Spiegel vor - mit dem Mittel Nazisatire.
Regisseur David Wnendt hält dem Land den Spiegel vor - mit dem Mittel Nazisatire.

© Fabiana Zander Repetto

Sein Komödienziel ist es, den Täter Hitler, das vermeintliche Monster, auf menschliches Maß zu stutzen. Dessen Dämonisierung war lange ein Vehikel der Entsorgung lästiger deutscher Mitverantwortung an Krieg und Nazigräueln. Doch das geschwisterliche, mit dem fiktiven Adolf über Medien Lachen, wie es „Er ist wieder da“ praktiziert, ist durchaus ein Stück Verharmlosung, ist Hitler-Kuschelpop. Gerade in „Lügenpresse“-Zeiten.

Ab Donnerstag in 18 Berliner Kinos

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