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Chris Kondek und Christiane Kühl entlarven Verschwörungen.

© Marcus Lieberenz/bildbuehne.de

Katastrophentheater im HAU: Expedition ins Geld-All

Gott steh uns bei – wir tragen den außerirdischen Feind im Portemonnaie. Das Trash-Stück „Money - It Came From Outer Space“ rückt im Berliner HAU das Geld in den Mittelpunkt.

Es taucht aus dem Nichts auf. Es hat keine feste Gestalt. Es ist nicht zerstörbar. Und es will wachsen. Das ist überhaupt das universellste Merkmal des Aliens – Expansion um jeden Preis, ohne Rücksicht auf Verluste. Klingelt da was? Genau, all das gilt auch fürs Geld. Es führt als amorpher Organismus längst sein bedrohliches Eigenleben, es hat den gesamten Globus fest im Griff, aber woher es eigentlich kommt, das wissen wir nicht. „Unfasslich – es erzeugt sich selbst!“, ruft ein Entsetzter im Film „Das Ding aus einer anderen Welt“ aus dem Jahre 1951. Die Parallelen sind augenfällig. Gott steh uns bei – wir tragen den außerirdischen Feind im Portemonnaie.

„Money - It Came From Outer Space“ haben Chris Kondek und Christiane Kühl ihre höchst erhellende Exkursion ins Geld-All betitelt, die jetzt im Rahmen des Festivals „Zellen. Life Science - Urban Farming“ am Berliner HAU Premiere feierte. Wer die Börsen-Verwerfungen der Gegenwart verstehen will, so die These der Monetenforscher, muss die B-Movie-Schocker der Vergangenheit sehen. Kondek und Kühl zappen sich durch allerlei Science-Fiction-Horrorfilme aus den fünfziger und sechziger Jahren, die laut Susan Sontags Essay „The Imagination of Desaster“ gar nicht von der Zukunft erzählen, sondern die Ängste ihrer Zeit spiegeln. Sie entdecken darin Zustandsbeschreibungen unserer Kopflosigkeit angesichts der entfesselten Märkte. Auch der Philosoph Peter Sloterdijk konstatierte, wir würden auf die Finanzkrise blicken wie auf einen Katastrophenfilm.

Kondek und Kühl stellen in ihrer gewitzten Video-Vortrags-Performance nebst Interviews mit Wissenschaftlern das Geld als höhere Intelligenz vor, die uns als Wirt benutzt, aber in der nächsten Evolutionsstufe nicht mehr brauchen wird. Dann handeln die Computer ohne uns weiter, das ist von der Wallstreet-Realität gar nicht mehr weit entfernt. Dem Katastrophengenre gemäß haben die Regierungen der Bedrohung nichts entgegenzusetzen. Die Aliens aufhalten durch ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz? Ein trauriger Scherz. Wir haben es mit einem übermächtigen Blutsauger zu tun, das wusste schon Karl Marx. Der nannte, wie Kondek und Kühl zitieren, das Kapital „verstorbne Arbeit, die sich nur vampyrmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit“.

„Money – It Came From Outer Space“ schließt gedanklich an den Vortrag an, mit dem die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun, Dozentin an der Humboldt-Universität, das „Zellen“-Festival eröffnete, Titel: „Das Geld als Ursprungszelle“. Von Braun beleuchtete die Blut- und Blütenmetaphern, mit denen wir das Wachstum des Geldes und seine Bewegungen beschreiben, vom Strom zum Kreislauf, überhaupt die fleischlich-organischen Fähigkeiten, die ihm zugesprochen werden. Aristoteles, lehnte eine Verzinsung von Geld ab, weil eine ungeschlechtliche Fortpflanzung „widernatürlich“ sei. Euripides hingegen ließ seinen Hippolytos von einer Vermehrung träumen, die ohne Frauen, nur durch das Geld bewerkstelligt wird. Kaufkraft statt Gebärfreude.

Das „Zellen“-Festival mit Vorträgen, Performances und Exkursionen, kuratiert von Stefanie Wenner, schlägt einen großen Gedankenbogen von Fragen der Epigenetik über die Zelle als politisches Organisationsmodell bis zur praktischen Pflanzenkunde. Das HAU 1 ist darüber zum Gewächshaus geworden, wo Robert Shaw und Marco Clausen in mobilen Behältern ihre „Prinzessinnengärten“ weiter sprießen lassen (Tsp vom 9. 11.). Sie waren als Kiez-Gemeinschaftsprojekt auf einer 6000-Quadratmeter-Fläche am Moritzplatz gegründet worden, auf der nun Biogemüse und andere Pflanzen gedeihen.

In dieser Theater-Fauna fand eine phantasieanregende Gesprächsrunde statt, an der neben den Prinzessinnen-Gärtnern auch der Potsdamer Max-Planck-Biologe Lothar Willmitzer und Richard Reynolds teilnahmen. Reynolds gehört als „Guerilla Gardener“ zu einer in den siebziger Jahren in New York entstandenen Bewegung, die an den Autoritäten vorbei Brachen zum Blühen bringt. Guerilla-Gärtner sind die wahren Utopisten des urbanen Raums. Sie pflanzen Salat neben öffentlichen Toiletten, Sonnenblumen vor dem Buckingham Palace und Peace-Zeichen vor Mercedes-Niederlassungen. Und das alles, ohne einen Gedanken an Geld und Profit zu verschwenden.

„Money – It Came From Outer Space“: Wieder am 15. und 16.11., 20 Uhr, HAU 3. Festival „Zellen. Life Science – Urban Farming“ noch bis zum 21.11., www.hebbel-am-ufer.de

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