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Fantasy-Filmfest Berlin: Von Zombies und Monstern

Das 24. Fantasy-Filmfest in Berlin startet mit einem Werk aus der Kategorie Hinterwäldler-Horror. Danach folgt Bedrohliches, Ekelhaftes, Grausames. Ein Härtetest selbst für Hartgesottene.

Was passiert, wenn ein Sadist, ein Masochist, ein Zoophiler, ein Nekrophiler und ein Pyromane aufeinandertreffen? Wer den Witz in voller Länge kennenlernen will, ist in Franck Richards „The Pack“ („La meute“) richtig. Der Eröffnungsfilm des 24. Fantasy-Filmfests gehört zur Kategorie Hinterwäldler-Horror: Die junge Charlotte (Emilie Dequenne) verfährt sich, landet in einem abgelegenen Wirtshaus und muss sich gegen langhaarige, unrasierte, ungewaschene Dorfdeppen zur Wehr setzen. Als ein debiles Brüdertrio sie vergewaltigen will, geht die Wirtin (Yolande Moreau) mit der Schrotflinte dazwischen, doch die Retterin erweist sich als Metzgerin, während ein schmutziger alter Kerl (Philippe Nahon) Charlotte unter Einsatz seines Lebens zur Flucht verhilft. Bald aber muss sich Charlotte, keineswegs die übliche unschuldige Horrorfilmheldin, ekliger Zombies erwehren – womit noch nicht einmal die Hälfte der Handlung skizziert wäre.

„The Pack“ gehört zu jener Art packender Filme, die einen nach der Vorführung schnell wieder loslassen – dafür bietet er mitreißende, geschmacklose und dennoch nicht zynische Unterhaltung. Und macht wie so viele Beiträge des Fantasy-Filmfests deutlich, dass das europäische Trivialkino nicht länger neidisch nach Hollywood blicken muss. Der US-Fantasyfilm steckt ohnehin in der Krise. Auf jeden „Avatar“ kommen ein Dutzend „Prinzen von Persien“ und „Legenden von Aang“, mit lieblos ausgeführten digitalen Effekten und keinem einzigen originellen Bild.

Wie man mit einfachsten Mitteln eine verstörende Stimmung erzeugen kann, demonstriert Gareth Edwards’ No-Budget-Produktion „Monsters“, ein Billig-Remake von Steven Spielbergs „Krieg der Welten“. Krakenähnliche Monster wüten über Mittelamerika, es gibt abgesperrte Zonen, und ein ungleiches Paar versucht, sich in eine freie Zone durchzukämpfen. Sie ist die verwöhnte Tochter eines Großverlegers, eine Zweitausgabe von Cameron Diaz, stolpert in Hot Pants durch Wälder und Büsche trägt keinen einzigen Kratzer davon. Er ist ein unrasierter, zynischer, schlecht gespielter Fotoreporter. Aus Kostengründen sind die Monster mehr zu hören als zu sehen, und ebenfalls aus Kostengründen vergeht zwischen den Angriffen reichlich Zeit. Gareth Edwards macht aus der Not eine Tugend. Er bedient sich der Suggestion und schafft damit eine durchgehende Atmosphäre von Angst und Bedrohung.

Im Fall von Tom Six’ „The Human Centipede“ („Der menschliche Tausendfüßler“) reicht schon eine knappe Inhaltsangabe, um Übelkeit zu erzeugen. Dieter Laser verkörpert einen perversen deutschen Wissenschaftler, der Menschen bei lebendigem Leib mit anderen Menschen zusammennäht, sodass sie eine lange Kette ergeben. Und welche Körperöffnungen da miteinander verbunden werden – also auf die Idee ist bisher noch kein Filmemacher und auch kein realer Serienmörder gekommen. Ein Härtetest selbst für Hartgesottene.

Je alltäglicher der Horror, desto schmerzhafter wirkt er. Dessen ist sich der Niederländer Alex van Warmerdam bewusst, der „Die letzten Tage der Emma Blank“ als Regisseur, Kameramann, Komponist und Nebendarsteller mitgestaltet hat. So wie man mitunter schlecht daran tut, zu viel vom Inhalt eines Films zu verraten, sollte man hier nicht preisgeben, in welchem Verhältnis die Personen zueinander stehen. Ist die reiche, launische Hausherrin Emma Blank von Dienern umgeben, oder handelt es sich beim Personal um Verwandte, womöglich die eigenen Kinder?

Emma Blank genießt es, mit sinnlosen Befehlen subtilen Terror auszuüben. Mühsam zubereitetes Essen schiebt sie beiseite, sie kritisiert die Köchin nicht einmal. Beim Malen lässt sie sich Pinsel und Farbe reichen. Den Hausdiener zwingt sie, einen angeklebten Bart zu tragen. Die große Leistung von Marlies Heuer besteht darin, diese todkranke Frau nicht als Monster zu zeichnen; Emma ist einfach traurig und meint, das Personal möge als Gegenleistung für eine Erbschaft etwas Demut zeigen. Was die freundlichidyllische Darstellung seelischer Abgründe betrifft, erinnert der Film an Vorbilder von Luis Buñuel und Claude Chabrol. Alex van Warmerdam mag deutlich hinter diesen Meistern zurückbleiben, aber das Kino braucht Epigonen wie ihn, wenn es Traditionen fortsetzen will. Bis 25. August, Details und Programm unter www.fantasyfilmfest.de

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