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Auch Volcan T.error trat am Eröffnungsabend des Festivals auf.

© Talu Emre Tüntas/Haus der Kulturen

Festival "Böse Musik": Dreck, der uns gefällt

Anschlag auf die Gemütlichkeit: Am Donnerstag wurde das Festival „Böse Musik“ im Berliner Haus der Kulturen der Welt eröffnet. Mit "Oden an Gewalt, Tod und Teufel"

Im Haus der Kulturen der Welt schlägt einem der blanke Hass entgegen: „Fickt euch! Ihr Systemschweine!“ Auf der Bühne stehen drei Herren in schwarzen Anzügen: Buback-Label-Gründer Ale Dumbsky, ehemals Schlagzeuger bei den Goldenen Zitronen, Schauspieler Robert Stadlober und Hip-Hop-Poet Volkan Terror, der sich mit dem Fake-Werbespot „100% deutsche Kartoffeln“ einen Namen machte. Zweifellos sympathische Burschen mit Humor, die nun mit ihrer Spoken-WordPerformance „Pure Hate“ den Spieß umdrehen und dem verdutzten Publikum mit ernster Miene hasserfüllte Texte von Nazirockbands und Pornorappern vortragen, die so abscheulich gewaltfeiernd, frauenfeindlich, homophob, antisemitisch und unfassbar dumm sind, das einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Sidos „Arschficksong“ ist auch dabei.

Ein Anschlag auf die Gemütlichkeit, der nur schwer zu ertragen ist und viele aus dem Saal treibt. Dabei hat der zweite Teil des Anthropozän-Projekts des HKW mit dem Titel „Böse Musik. Oden an Gewalt, Tod und Teufel“ so schön angefangen. Mit einer herrlich verzettelten Rede von Suhrkamp-Autor, FAZ-Redakteur, Marx- und Metal-Fan Dietmar Dath, der anschließend mit der Karlsruher Elektronica-Rock-Jazz-Formation Kammerflimmer Kollektief die „Zarte Blüte Hass“ pflanzt: „Schluss mit Hoffnung, Schluss mit Glück, nur noch Hass, kein Weg zurück.“ The Schwarzenbach nennt sich das Bandprojekt, benannt nach der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach. Die Musik ist liebevoll zusammengetüftelt aus ungenierten Griffen in den Fundus ausgewählter Klänge, von delirierenden Velvet-Underground-Psychedelia zu sphärischen Krautrock-Passagen mit ein wenig Schüttelelektronik. Zu den blitzgescheiten Soundarrangements von Johannes Frisch am Kontrabass, Thomas Weber an der E-Gitarre und Heike Aumüller am Harmonium und Synthesizer trägt Dath mit dunkler Stimme Texte vor, die stets die Aura des Geheimnisvollen wahren: „Gib uns Liebe, gib uns Geld, gib uns Dreck, der uns gefällt.“ Manchmal löst sich alles in einer Klarheit auf, die das Scheuern, Schrammeln, Kratzen, Rauschen und Vibrieren der Musik erst so richtig zur Geltung kommen lässt.

Das ist dann fast zu schön für dieses Festival, das sich vier Tage lang mit Konzerten, Installationen, Filmen und Diskursen dem Bösen widmet. Thematisiert wird unter anderem die Instrumentalisierung von Musik als Folter, Schall als Waffe und der Klang von Voodoo. Am Samstag wird sogar das Berliner Bundespolizeiorchester auftreten und Mauricio Kagels „10 Märsche um den Sieg zu verfehlen“ in den Saal schmettern. Unter Musikern, die sich mit den Insignien des Bösen schmücken, findet man die rührendsten Menschen – wenn man mal die Nazirocker und Hassrapper ausklammert, die eher ein Fall für den dritten Teil des Anthropozän-Projekts wären: doofe Musik.

- noch bis 27.10. Infos: www.hkw.de

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