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Panorama mit Waffengeklirr. Die Truppen Mehmets II. stürmen 1453 die Hauptstadt des christlichen Byzantinischen Reiches (Filmausschnitt).

© Verleih

Film: Angriff auf die Vergangenheit

Osmanen vor: Ein türkisches Kino-Opus feiert den Untergang des christlichen Konstantinopel. Der 17-Millionen-Dollar-Film zelebriert die Eroberung der Hauptstadt des christlichen Byzantinischen Reiches

„Wir werden erst dann zu Märtyrern, wenn wir den Feind in die Knie gezwungen haben“, ruft der junge Sultan. „Allahu akbar“, antworten seine Soldaten im Chor. Der Angriff beginnt, und bald weht die Fahne der Osmanen auf den Mauern von Konstantinopel, der Hauptstadt des christlichen Byzantinischen Reiches.

In 850 Kinos in der ganzen Türkei und auch in Berlin sowie in anderen deutschen Städten läuft an diesem Donnerstag das teuerste Werk der türkischen Filmgeschichte an. „Fetih 1453“ erzählt in opulenten Schlachtszenen die Geschichte der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmet II. im Jahr 1453. Es war der Abgesang einer über tausendjährigen Herrschaft, der Untergang des alten Ost-Rom. Es war eine Zäsur in der Geschichte Europas und Kleinasiens. Die Bruchlinien sind heute noch sichtbar.

Schon vor dem Filmstart gab es Protest. „Fetih 1453“ ist der erste türkische Film, der sich mit epischen Kriegsszenen nach dem Vorbild von „Herr der Ringe“ ein historisches Thema vornimmt. Die Dreharbeiten an dem 17 Millionen Dollar teuren Film zogen sich über Jahre. Das Team von Regisseur Faruk Aksoy arbeitete an historischen Schauplätzen und vor nachgebauten Kulissen, 20 Schneider verarbeiteten 44 Kilometer Stoff zu Kostümen oder Bühnenbildern. Teilweise werden die Szenerien per Computersimulation auf die Leinwand gezaubert.

Als Held von Konstantinopel ist Sultan Mehmet II. für die Türken einer der größten osmanischen Herrscher überhaupt. „Fatih“, die heute verwendete Form von „Fetih“ aus dem Filmtitel, heißt „Eroberer“ und ist der Ehrentitel von Sultan Mehmet, den jedes türkische Schulkind kennt. Mit der Einnahme der Stadt endete das Byzantinische Reich – und der Aufstieg des Osmanen-Reiches zur Weltmacht begann. Auch heute ist der mehr als 500 Jahre zurückliegende Sieg über die Byzantiner in der Türkei allgegenwärtig. Der Jahrestag der Stadt-Eroberung am 29. Mai 1453 ist in Istanbul ein Feiertag – für strenggläubige griechisch-orthodoxe Christen bedeutet das Datum bis heute eine Katastrophe.

„Fetih 1453“ passt zur Osmanen-Mode und zum neuen Selbstverständnis der Türkei als aufstrebende Macht. Seit einigen Jahren entdeckt das Land seine osmanische Vergangenheit neu. Eine Seifenoper über das Leben Süleymans des Prächtigen ist ein Hit im türkischen Fernsehen. Ein Panorama-Museum an der alten byzantinischen Stadtmauer ist ganz der Stadt-Eroberung gewidmet und hat seit seiner Eröffnung vor drei Jahren mehr als eine Million Besucher angezogen. Das osmanische Erbe und insbesondere die Eroberung von Konstantinopel haben einen festen Platz in der türkischen Identität. Zu den Sponsoren des neuen Films gehört auch die Istanbuler Stadtverwaltung.

Die Filmemacher erkennen keine anti-christlichen Botschafter

Die Produzenten von „Fetih 1453“ setzen darauf, dass die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit die Massen in die Kinos ziehen wird: Der Filmstart in der Türkei am Donnerstag wurde auf genau 14.53 Uhr gelegt. Für kommenden Sonntag ist eine Gala-Vorführung des Films für die türkische Gemeinde in Köln angekündigt.

Vorab veröffentlichte Ausschnitte des Films lassen ein Epos erwarten, das mehr Wert auf Ruhm und Ehre für Sultan Mehmet und seine Getreuen legt als auf kritische Geschichtsbetrachtung. Religiöse Untertöne sind unüberhörbar. „Unser Prophet hat verkündet: Eines Tages wird Konstantinopel erobert werden“, sagt eine Stimme in dem Filmausschnitt. Wenig später ist zu sehen, wie christliche Soldaten mit Kreuzen auf den Schilden wehrlose Frauen abschlachten.

Es gab keine Pressevorführung und keine Besprechungen in den Zeitungen. Möglicherweise wollten die Filmemacher schlechte Kritiken zum Kinostart vermeiden, sagt der Filmkritiker Ugur Vardan. Die christliche Gruppe „Via Dolorosa“ ruft dennoch schon zum Boykott auf: „Für die Türkei gibt es keine Veranlassung dazu, dieses Ereignis auch noch zu feiern“. Eher sollten sich die Türken „aufgrund der Menschenrechtsverletzungen und der anhaltenden Christenverfolgung schämen“. Die Gruppe bat ihre Anhänger, den Film nicht anzusehen und stattdessen vor den Kinos Flugblätter über die Lage der Christen in der Türkei zu verteilen.

Die türkischen Filmemacher vermögen keine anti-christlichen Botschaften bei „Fetih 1453“ zu erkennen. „Ein Krieg der Religionen ist nicht unser Ziel“, sagte Filiz Öcal, eine Sprecherin der Produktionsfirma. „Der Film zeigt die historische Wahrheit.“ Das sehen offenbar nicht alle so. Unbekannte Hacker versuchten bereits, die Websites des Films und der Produktionsfirma von Regisseur Aksoy lahmzulegen, wie Öcal berichtet: „Wir können sehen, dass die Angriffe aus dem Ausland kommen.“

Anno 1204 war Konstantinopel schon einmal erobert worden. Damals wüteten katholische Kreuzritter in der byzantinischen Metropole am Goldenen Horn.

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