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Jeremy Irons als Mathematikprofessor.

© Wild Bunch

Film „Die Poesie des Unendlichen“: Form und Formel

In Matt Browns Biopic „Die Poesie des Unendlichen“ spielt Jeremy Irons einen Mathematiker, der ein indisches Genie nach Cambridge holt.

Künstler haben es leichter. Niemand würde die Würdigung einer Skulptur oder einer Sinfonie davon abhängig machen, dass ihr Schöpfer seine dem Werk zugrundeliegenden Theorien offenlegt. In der Mathematik jedoch ist die brillanteste Formel wertlos, wenn ihr Verfasser sie nicht beweisen kann.

Das versucht zumindest G. H. Hardy (Jeremy Irons) seinem Schützling S. Ramanujan (Dev Patel) klarzumachen. Im Jahr 1914 hat der renommierte britische Mathematiker den jungen Buchhalter aus Madras ans Trinity College in Cambridge eingeladen; er möchte dessen höchst originelle Arbeit in eine Form bringen, die vor den strengen Kollegen bestehen kann.

Welten prallen aufeinander. Hier der Autodidakt aus ärmlichsten Verhältnissen, der seine mathematischen Erkenntnisse als göttliche Eingebungen ansieht. Dort der Atheist, dessen Name bis heute mit den Standards seiner Disziplin verbunden ist, Wie Hardy darum ringt, das Genie Ramanujan diesen Standards zu unterwerfen, das ist der interessanteste Teil von „Die Poesie des Unendlichen“.

Zwei verwandte Seelen, die nicht zueinander finden

Gleichwohl stürzt und stützt sich Matt Browns Biopic auf die ungleich zugänglichere zwischenmenschliche Ebene. Auf die Einsamkeit des im Exil von Kälte, Krankheit und englischem Essen schwer gebeutelten Inders. Auf seinen Mentor, der im Grunde seines Herzens genauso einsam ist wie sein Protegé. Doch die Tragik, dass diese verwandten Seelen nicht einfach beste Freunde werden können, vermittelt sich nicht recht: Zumindest Hardys Außenseitertum bleibt bloße Behauptung. Sozial durchaus nicht ungelenk, pflegt er Feind- und Freundschaften im Kollegium, unter anderem zu Bertrand Russell (Jeremy Northam).

Handwerklich solide, erzählerisch konventionell

Die früh gelegte Fährte zu einer nicht ausgelebten Homosexualität Hardys wird nicht weiter verfolgt. So bleibt die Beziehung letztlich blass, ebenso wie die wohl mit Blick auf den indischen Markt eingeflochtene Liebesgeschichte von Ramanujan und seiner Frau Janaki (Devika Bhise). Dass sie bei seiner Abreise gerade 13 war, wird im Film aus nachvollziehbaren Gründen unterschlagen. Der Rest ist handwerklich solides, erzählerisch konventionelles Kino. Vielleicht ist es ja angemessen, dass ein Film über Mathematiker etwas formelhaft ausfällt.

In 8 Berliner Kinos. OmU: Filmkunst 66, Kino i. d. Kulturbrauerei, Rollberg, Union

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