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Die Gründung der Gruppe LGSM "Lesbians and Gays Support the Miners".

© Senator

Film "Pride": Homos helfen Kumpels

Die britische Tragikomödie „Pride“ erinnert an die Allianz von queeren Londonern und walisischen Bergarbeitern während der großen Streiks von 1984.

Sechzehn Stunden hat Schauspieler Dominic West angeblich an der großen Tanzszene geprobt. Dabei dauert sie nur zwei Minuten. Doch die haben es in sich. Denn wenn der von ihm dargestellte Jonathan zu „Shame Shame Shame“ von Shirley & Co. übers Parkett wirbelt, kann John Travolta einpacken. Die im „Welsh Working Men’s Club“ versammelten Damen sind komplett aus dem Häuschen. Dabei ist Jonathan schwul und die meisten Ladys haben die heißen Jahre längst hinter sich. Doch die einheimischen Männer sind zum Tanzen zu stoffelig. Auch sonst gibt es in dem walisischen Dorf kaum schickliche Vergnügungen für eine Frau. Da ist selbst die Tanzeinlage mit einem Fremden schon an der Grenze des Erlaubten.

Wir schreiben 1984, das Jahr des großen Bergarbeiterstreiks, in dem die Gewerkschaften sich mit Margaret Thatcher anlegen. Der Ausgang ist bekannt, weniger vielleicht die Tatsache, dass im Verlauf der Kämpfe auch eine bis dahin eigentlich unvorstellbare Koalitionen zusammen fand. Denn zwischen den wertkonservativen Bergarbeitern aus Wales und der queeren Londoner Subkultur schien der gemeinsame Nenner, gelinde gesagt, eher schmal – bis ihnen die neoliberale Wende mit Maggie und der Polizei plötzlich gemeinsame Feinde bescherte: Denn Letztere prügelte Miner und Schwule gleichermaßen zusammen. So kam es, dass beim Gay Pride March 1984 erstmals auch Sammeleimer für die streikenden Bergarbeiter durch die Reihen gingen. Doch in der Szene stoßen die „Lesbians and Gays Support the Miners“ nicht nur auf Freunde.

Historisch belegte Ereignisse, die erstaunlicherweise erst jetzt in Regie von Matthew Warchus zum Filmstoff wurden. Der britische Theaterregisseur verdichtet die historischen Ereignisse zu einem liebevoll ausgestatteten und prachtvoll besetzten Clash-of-Culture-Periode-Piece, das mit Genre-Lust punkigen Londoner Zeitgeist und Arbeiterkultur aufeinanderprallen lässt. Denn weil es den Schwulen nicht gelingt, die Spendengelder bei den Minern überhaupt loszuwerden, macht sich ein Teil der Truppe in einem bunt bemalten Kleinbus selbst auf den Weg in das Dörfchen Onllwynn nach Wales.

Die Reisenden sind noch bunter als ihr Gefährt. Da ist der proletarische Schönling, der die ganze Sache angezettelt hat. Der schüchterne Novize aus repressivem Elternhaus. Der exaltiert extrovertierte Künstler. Und ein paar Alibi-Lesben, die nach der Melodie von „Solidarity Forever“ schmettern: „Every woman is a lesbian at heart.“ Auf der anderen Seite stehen neben aggressiv homophoben Dorf-Lads und bigotten Gals auch ein paar weltoffene Menschen, die die neuen Unterstützer mit Neugier begrüßen. Und bevor der Film mit einem großen Solidaritätskonzert dem Finale zusteuert, kommt auch noch juristische Hilfe aus dem Kreis der LGSM-Unterstützer. Ein paar Tränen der Rührung können da schon fließen. Doch „Pride“ verrät seine politischen Herkunft nicht und lässt solche Wohlfühlmomente nie das Leitmotiv um den unwiederbringlichen Verlust britischer Arbeiterkultur übertönen. Wie sagt Thatcher zu Beginn im Fernsehen: „One isn’t here to be a softie.“

In 13 Berliner Kinos; OV: Cinestar SonyCenter, OmU: Hackesche Höfe und Odeon

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