zum Hauptinhalt
Eine von Nikolaus Seuberts Naturfotografien aus der Ausstellung "Lebensspuren".

© Nikolaus Seubert

Fotoausstellung auf dem Friedhof St. Marien - St. Nikolai: Leise rieseln die Blätter

Nikolaus Seuberts Naturansichten sind an einem besonderen Ort zu sehen, im leerstehenden Friedhofsverwalterhaus in Prenzlauer Berg. Tipp für eine etwas andere Ausstellung

Was für ein berückendes Stillleben: Die nassen Blätter der Kastanie, die goldgelb durchs Fenster leuchten. Die Küche im leerstehenden Friedhofsverwalterhaus, in der eine klobige Kochmaschine vom Leben einstiger Bewohner erzählt. Und die zwischen Fenster und Herd gehängten Fotografien von Nikolaus Seubert („Lebensspuren“, bis 7.11., Do–So 11–19 Uhr). Naturansichten, in strengem Schwarzweiß eingefangen und zu abstraktem Ornament geronnen. Kiesel, von Wasser umspült, Bäume, die im Fluss Silhouetten werfen, Büsche mit Dornen wie aus Stahl bewehrt.

Auch das Bad kontrastiert Gestern und Heute: ein verwaister Badeofen, an den Wänden grüne Sprenkelfliesen, darauf weitere Naturstudien, Porträts, Stadtansichten. Im Erdgeschoss, im Treppenhaus, in der oberen Etage – das ganze ramponierte Haus ist Ausstellungsfläche. Neben dem Tisch, an dem einst der Verwalter des Alten Friedhofs St. Marien-St. Nikolai (Prenzlauer Allee 1) arbeitete, steht jetzt die improvisierte Bar des vor vier Jahren gegründeten Vereins Friedhofsmuseum, dessen segensreiche Aktion „Kulturkapellen“ Kunst, Konzerte und Lesungen in Berliner Friedhofskapellen veranstaltet (Infos: www.kulturkapellen.de).

Berlins Friedhofslandschaft ist ein Schatz

Landschaftsarchitekt Martin Ernerth ist einer dieser Ehrenamtlichen, die die 240 Standorte umfassende Friedhofslandschaft Berlin als kulturellen Schatz bewahren wollen. „Mit Ausstellungen wie dieser holen wir die Leute her und schaffen Aufmerksamkeit für die wertvollen Flächen mitten in der Stadt“, sagt er. Flächen, die laut Ernerth zu 40 Prozent nicht mehr gebraucht werden, was die Frage nach neuen Nutzungsideen aufwirft. Für das ehemalige Verwalterhaus hat die AG Friedhofsmuseum Pläne, die ein Archiv, einen Kulturraum und ein Café vorsehen.

Der gleich gegenüber vom Soho House gelegene Alte Friedhof St. Marien - St. Nikolai ist ein vergessener, wundersamer Ort, der sich mit der Macht der Stille gegen das Weltgetöse an der Ecke Mollstraße/Prenzlauer Allee stemmt. Sogar Schinkel hat hier gegebaut: das neogotische Mausoleum der Familie Brose. „Grabzeichen“ genannte moderne Stelen stammen von Nikolas Seubert, der nicht nur Fotograf, sondern auch Steinbildhauer ist. Seinen verwunschenen Garten am Alexanderplatz, habe der vor fünf Jahren verstorbene Verwalter den 1802 gegründeten Friedhof genannt, erzählt Martin Ernerth. Und wenn an einem Oktobertag herbstbunte Blätter auf Lebende wie Tote rieseln, sieht er genauso aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false