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Im Rahmen. 2008 streifte der dänische Fotograf durch Kopenhagen.

© Krass Clement

Fotografie: Krass Clement und das Grau des Tages

Die Berliner Galerie Argus Fotokunst zeigt die Serie "Novemberreise" des dänischen Fotografen Krass Clement. Die Bilder erzählen unverstellt vom ganz gewöhnlichen Leben - und zeigen dabei die Spannungen und Widersprüche des Alltags auf.

Grau ist der alles beherrschende Farbton in den Fotografien des Dänen Krass Clement. Im milchigen Grau verschwimmt das Ende einer Kleinstadtstraße. Grau wirken die niedrigen Häuser, die Haltestelle des Busses, der Laden an der Ecke und selbst auf den Gesichtern scheint Nebel zu liegen. Aber hier täuscht der erste Eindruck: Nicht Nebel, sondern Melancholie verleiht den Porträts diesen weichen Ernst, der auf den Betrachter übergreift, zum Beispiel beim Anblick eines Kellners, der wie ratlos mitten im Raum verharrt. Oder der beiden Mädchen, die vor der Abfahrt des Linienbusses noch einmal nach draußen schauen, oder einer am Tisch sitzenden Frau, die mit aufgestützten Armen und dicker Hornbrille zum Sinnbild einer entschlossen in sich ruhenden Haltung wird.

Es war der November 2008, als der 1946 in Kopenhagen geborene Fotograf diese Reise durch eine altvertraute Landschaft antrat. An diesem abgelegenen Ort nahe der Küste verlebte Clement, getrennt von den damals in Paris lebenden Eltern, einen prägenden Teil der Kindheit. Der Herbstnebel, der erste Schnee geben nun die Grundstimmung vor, die den Flaneur mit der Vergangenheit verbindet. Er verzichtet auf Bildunterschriften und jede Art von Kommentar. Jedes Bild soll eine eigene Geschichte erzählen und dabei eine andere durchschimmern lassen, die nur Clement genau kennt; sei es jenes von einer Frau beim Schminken oder das von der im Wind flatternden Wäsche hinter dem Haus.

„Novemberreise“ lautet der Titel der Serie, die wie sämtliche früheren des dänischen Meisters alles andere als eine Reportage sein will. Zwar erzählen die Bilder unverstellt vom gewöhnlichen Leben, und das ist in Zeiten um sich greifender Inszenierung und verschönender Computerbearbeitung schon viel. Aber die Hauptsache bleibt der subjektive Blick. Die Objekte werden zur Projektionsfläche für den Fotografen und behalten doch ihre reale Gestalt.

Dass dieser Gesamteindruck nicht in Eintönigkeit versinkt, verdankt sich vor allem Clements wachem Gespür für Spannungen und Widersprüche. Ein Geheimnis, etwas Unausgesprochenes umgibt die Menschen, die bescheidenen Häuser und die Straßen, die der Mann aus Kopenhagen auch Jahrzehnte später erkennt. Einmal beobachtet er, wie eine in ihren Mantel gehüllte Frau mit bedächtigem Schritt vorübergeht und drei Schulkinder sie fast rennend überholen. Der schwarze Rahmen des Fensters, hinter dem Clement wie gefangen (oder befangen) steht, rahmt die Wirklichkeit, als ließe sich deren Fortschreiten nur einen Moment durch ein Bild aufhalten.

Galerie Argus Fotokunst, Marienstr. 26; bis 26. 7., Mi–Sa 14–18 Uhr

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