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Querschnitt durch die geplante James-Simon-Galerie

© Tsp/Reinhockel

Grundsteinlegung der James-Simon-Galerie: Auf festem Grund: Das künftige Entrée der Museumsinsel

Am Freitag wird der Grundstein für die James-Simon-Galerie gelegt, das künftige Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel. Drei Jahre später als geplant - und mittlerweile sind auch die Baukosten deutlich gestiegen. Doch der Grund für die Kostensteigerung ist einleuchtend. Menschliches Versagen scheidet aus.

Endlich kann am heutigen Freitag nach dreijähriger Verzögerung der Grundstein für das Eingangsgebäude zur Museumsinsel gelegt werden: die James-Simon-Galerie. Mit den Festreden mag die Zuversicht wachsen, dass der Bau, der ursprünglich bereits 2014 seine dringend benötigten Dienste erfüllen sollte, nun tatsächlich aus der wassergefüllten Baugrube herauswächst. Die Kosten sind mit den „schwierigen Gründungsarbeiten“ – so die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) als Dachorganisation der Staatlichen Museen – deutlich gestiegen. Das war seit Januar bekannt, und jetzt wurde die exakte Summe beziffert. Statt 71 Millionen Euro werden nun 98,8 Millionen Euro veranschlagt.

Jetzt ist allenthalben – Limburg lässt grüßen – von einem „Kostendebakel“ die Rede. Die Wahrheit ist prosaischer. Der komplizierten Aufgabe der Gründungsarbeiten war die erste Baufirma nicht gewachsen, sie hat mangelhaft gearbeitet, für die Mängelbeseitigung muss zunächst die SPK aufkommen, denn die Firma ist mittlerweile insolvent. Der Auftrag musste komplett neu ausgeschrieben werden, die Verzögerungen addierten sich und eben auch die Kosten.

Tiefgründung auf Beton

Die Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Bewilligung von 71 Millionen Euro müssen allerdings, so die SPK gestern, „finanziell in das Baugeschehen integriert werden“ – das der Stiftung insgesamt. Es werde jedoch „nicht zu spektakulären Verschiebungen kommen“. So wurde gestern bereits geunkt. Doch hat die SPK viele Bauvorhaben gleichzeitig in Arbeit, bei denen sich, wie beim glücklicherweise um 40 Millionen kostengünstiger gekommenen Neuen Museum, womöglich Reserven auftun lassen.

Bekannt war allemal das unglückliche Erbe, auf der vermaledeiten Spree-Insel bauen zu müssen. Karl Friedrich Schinkel und Friedrich August Stüler hatten mit dem schwierigen Baugrund ihre liebe Not: Beide mussten im 19. Jahrhundert ihre Museen auf zahllose Eichenpfähle gründen. Stüler, der Baumeister des Neuen Museums, konnte nur durch Gewichtsbeschränkung bei den Gewölben sicherstellen, dass sein Haus nicht in den Untiefen eines zugeschütteten Wassergrabens versinkt.

Die Tiefgründung zumindest lässt sich heute leichter bewerkstelligen. Beim künftigen Eingangsgebäude zur Museumsinsel übernehmen 1200 betongefüllte Bohrpfähle die Aufgabe, das Bauwerk in und auf festem Boden zu verankern. Eben daran war die erste Firma gescheitert. Nun wird unter dem brackigen Wasser der abgeteilten Baugrube die Betonplatte ausgegossen, auf der sich das Gebäude erheben soll.

Das neue Haus verdankt sich dem Bedürfnis, den mittlerweile Millionen zählenden Besuchern einen zentralen Zugang für die archäologischen Museen bieten zu können. Bislang erfolgt der Eintritt an jedem der fünf Museumsgebäude getrennt. Künftig wird allein die Alte Nationalgalerie auf ihrem hohen Sockel von der unterirdischen Verbindung, der Archäologischen Promenade, ausgeschlossen sein. Alle übrigen Häuser können – müssen aber nicht – über das unterirdische Wegesystem betreten werden, ohne dass jeweils eigene Eintrittskarten erworben und Schirm und Mantel gesondert abgegeben werden müssen. Den Haupteingang sowohl zur Promenade als auch zum angrenzenden Pergamonmuseum und – nach neuesten Planänderungen wahlweise unterirdisch – zum Neuen Museum bildet künftig die James-Simon-Galerie. Gerade zu diesen beiden Publikumsmagneten ist dann ein bequemer Zutritt möglich, unabhängig von der unter Fachleuten strittigen Kellerverbindung mit ihrem „Schnellrundgang“ durch vier Häuser mit tausenden von Zeugnissen aus sechs Jahrtausenden Kunst- und Kulturgeschichte.

„Unsere Gäste sollen ihr Ticket in Zukunft nicht an einem Container auf der gegenüberliegenden Straßenseite kaufen müssen“, verteidigte Stiftungspräsident Hermann Parzinger den Galeriebau, als die Kritik wieder besonders heftig anbrandete. „Auch wollen wir eine Art von Gastlichkeit bieten, wie es diesem Museumsensemble angemessen ist: mit Café, Restaurant, mit Medien- und Informationsraum und mit einem Shop.“ All das wird in der James-Simon-Galerie untergebracht.

Den Entwurf lieferte David Chipperfield, der mit der Sanierung und Umgestaltung des benachbarten Neuen Museums Weltruhm erlangte. Soeben wurde der Londoner Architekt mit dem japanischen Praemium Imperiale ausgezeichnet. Seit der Absegnung des zweiten, deutlich veränderten Entwurfs 2007 gibt es mancherlei kleinere Änderungen. So wuchs die Bruttogeschossfläche auf ansehnliche 10 900 Quadratmeter, die Hauptnutzfläche – abzüglich der Verkehrs- und Nebenflächen – auf 5400 Quadratmeter.

Zuletzt sind zwei große, querformatige Fenster im Sockelbereich hinzugekommen, die Ausblicke ermöglichen und den festungsartigen Charakter der zweimal leicht geknickten Natursteinwand entlang des Kupfergrabens abmildern. Auch wurde eine Überdachung der langen Freitreppe hinauf auf die Höhe des Hauptgeschosses und damit auf das Niveau des angrenzenden Pergamonmuseums gestrichen. Man kann darüber streiten, ob offene Freitreppen angesichts des Berliner Wetters ein ideales Element darstellen; andererseits wird der Blick von der Treppe auf die noble Fassade des Neuen Museums nicht länger verdeckt.

Anschluss an die Kolonnade

Darüber hatte sich die Gesellschaft Historisches Berlin, seit jeher auf Kriegsfuß mit Chipperfield, unter anderem erregt: dass das Neue Museum vom Kupfergrabenufer vis-à-vis nicht mehr zu erkennen sei. Der Vorwurf trifft in der Tat weitgehend zu; auch wenn es ausgerechnet Chipperfields Fassadengestaltung des Neuen Museums war, die zuvor den Zorn der Historienfreunde erregt hatte. Im Übrigen stand das Neue Museum auch früher nicht frei. Ihm war der profane Packhof vorgelagert, ein Nutzbau Schinkels aus dem Jahr 1832. Von ihm blieb zuletzt das Amtsgebäude übrig, das 1938 abgetragen wurde.

Das wichtigste Element des Chipperfield-Entwurfs sind die schlanken Vierkantpfeiler, die entlang des Kupfergrabens auf einer Länge von 104 Metern das in 19 Metern Höhe liegende Dach des Gebäudes tragen. Die Ambivalenz von Drinnen und Draußen – der Besucher kann aus dem Gebäudeinneren heraustreten und hoch über dem Wasser wandeln – hat Chipperfield wohl bei Schinkels Altem Museum mit seiner offenen Terrasse im Obergeschoss abgeschaut. Die Kolonnade wiederum schließt an Stülers Kolonnade an, die Chipperfield bei der Restaurierung des Neuen Museums selber wiederhergestellt und an Fehlstellen behutsam, doch nicht historistisch ergänzt hat. Die Vervollständigung der Kolonnade, die einen Teil der Museumsinsel umschließt, belegt nur, wie sorgsam sich Chipperfield dem Museumsensemble angenähert hat.

James Simon übrigens, der Namenspatron des Gebäudes, war der bedeutendste Mäzen, den die Berliner Museen jemals hatten. Ihm verdanken sie, als Hauptstück seiner umfangreichen Schenkungen, die Büste der Nofretete. Simons Bronzebildnis ist das einzige Werk, das im Museum neben der Nofretete Platz finden durfte. Vielleicht wäre die Umbenennung des Neuen Museums die angemessenere Würdigung Simons. Immerhin wird jetzt in seinem Namen gebaut.

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