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Mitarbeitergespräch. Aufräumer Eddie Mannix (Josh Brolin, r.) nimmt den Bibelfilmstar Baird Whitlock (George Clooney) zur Brust.

© UIP

"Hail, Caesar!" eröffnet die Berlinale: Immer Ärger mit den Stars

Das Licht der Leinwand ist besser als das andere Zeug: Joel und Ethan Coen nehmen im Berlinale-Eröffnungsfilm „Hail, Caesar!“ das alte Hollywood auf die Schippe.

Du sollst keine anderen Götzen neben mir haben außer dem einen wahren Götzen, dem Kino. Also verkünden Joel und Ethan Coen in "Hail, Caesar!" ihre Heilsbotschaft und lobpreisen die flimmernden Fiktionen menschlicher Schöpferkraft. Und siehe da, es ward das perfekte Werk für eine Festival-Eröffnung.

Oberflächlich betrachtet geht es bei der im Amerika des Kalten Kriegs der fünfziger Jahre angesiedelten Story um die Entführung eines Hollywoodstars, Baird Whitlock (George Clooney), durch eine Gruppe professoral vor sich hin stümpernder Drehbuch-Kommunisten, lauter Relikte aus den Dreißigern, die Letzten ihrer Art. Sie fühlen sich auf den Schlips getreten, weil die Produktionsmittel den Studiobossen gehören, von denen sie aber schlecht bezahlt werden. Immerhin verdienen sie genug, um sich schicke Häuser mit Pazifikblick in Malibu zu leisten, wohin sie Baird dann auch bringen. Die 100 000 Dollar Lösegeld für die kostbare Beute verstehen sie als Ausgleichszahlung – so viel zum Thema Lenin und Revolution.

Eddie Mannix (Josh Brolin), Chef der Produktionsabteilung bei Capitol Pictures (die Wortspielereien mit Capitol und Kapitalismus dürften das Herz jedes Sozialisten erfreuen – und das von Bernie Sanders –, außerdem der Name des Studios im Coen-Film „Barton Fink“), muss den Fall lösen und Baird wiederbeschaffen. Der steht gerade für einen Jesus-Sandalenfilm vor der Kamera, als römischer Soldat, der das Licht Gottes gesehen hat.

Licht? Genau darum geht’s. Auf dem Höhepunkt beider Filme, von „Hail, Caesar!“ und dem Bibel-Werbefilm-im-Film, kniet Baird in Gladiatorenkluft vor einem Kruzifix und hält die ultimative Rede über seine Bekehrung. Über das, was sich nicht mit Worten sagen lässt, sondern nur mit … Licht. Und das Wort ist Film geworden, nicht Fleisch.

Dabei spielt es keine Rolle, dass Filme nichts weiter sind als schablonenhafte Feel-good-Produkte, fabriziert von Schauspielern und Regisseuren, die im wirklichen Leben längst nicht die edlen Charaktere sind, wie sie uns auf der Leinwand glauben machen wollen. In Wahrheit sind sie tagelang besoffen, pumpen sich mit Drogen voll, huren herum, gehen fremd, betrügen – oder sind schlicht strohdumm. Wir wissen, es ist alles nur Glitter, was wir da sehen, selbst Bairds Am-Fuß-des-Kreuzes-Rede. Er richtet sie übrigens nicht an Jesus, sondern an den reuigen Schächer am Nachbarkreuz. Oh je. Und er vergisst das Wichtigste, den Glauben. Schnitt!

Tatsächlich ist „Hail, Caesar!“ über weite Strecken eine funkelnde Hommage an all die sagenhaften Genres der Studio-Ära und ebenso eine Satire über den Schmutz hinter den Kulissen. Die Rahmenhandlung, das Kidnapping, ist als Film noir gehalten, mit einer ominösen Off-Stimme. Es handelt sich übrigens um Michael Gambon alias Dumbledore.

Scarlett Johansson spielt DeeAnn Moran, die dumme Blondine, die zur Standardausstattung jedes Studios gehört. Die Figur ist angelehnt an die Schauspielerin und Rekordschwimmerin Esther Williams, berühmt für ihre grandiosen Wasserballett-Darbietungen. Nur dass DeeAnn das kleine Problem hat, dass sie von einem verheirateten Regisseur schwanger ist, was ihr Meerjungfrauenkostüm nicht länger verbergen kann.

Ralph Fiennes spielt Laurence Laurentz, den Regisseur anspruchsvoller Salondramen und verklemmten Schwulen mit Seidentuch, der jungen Typen Rollen gegen Sex verschafft. Channing Tatum spielt Burt Gurney, der es in einer Tanznummer fertigbringt, Gene Kellys Stepptanz-Zauber mit dem tollen Matrosensong „There is Nothing Like a Dame“ in Richard Rogers Musicalfilm „South Pacific“ zu kombinieren. Aber es stellt sich heraus, er ist auch einer dieser Kommunisten. Veronica Osorio steht wiederum für die exotische Hollywoodsängerin Carmen Miranda, Alden Ehrenreich für den singenden Cowboy mit dem goldenen Herzen undsoweiter undsofort.

Die christlichen und jüdischen Würdenträger sind bloß gekaufte Clowns

Aber es geht nicht um das Wiedererkennen unserer amerikanischen Leinwandidole. Weil jede Neuschöpfung eines klassischen Genrefilms – gut die Hälfte von „Hail, Caesar!“ – aus der Hand der Coen-Brüder einfach großartig ist.

Und weil alle anderen Götzen sowieso nichts taugen. Der Sozialismus löst sich hier in aufgeblasenem Blaba (John Bluthal spielt Marcuse) und wohlfeilem Gieren nach ein bisschen mehr (kapitalistischem) Zaster auf. Der kapitalistische, „militärisch-industrielle Komplex“ findet seine Erfüllung darin, dass Lockheed Aircraft eine Wasserstoffbombe zündet. Die christlichen und jüdischen Würdenträger, als Berater beim Sandalenfilm verpflichtet, sind bloß gekaufte Clowns. Und der katholische Beichtstuhl kann sich zwar um Eddies Qualen beim vergeblichen Versuch, sich das Rauchen abzugewöhnen, kümmern, nicht aber um all das Rumhuren, Kidnappen, die nicht ehelichen Schwangerschaften, Saufereien und schwulen Affären, mit denen Eddie, der „Aufräumer“, sich tagaus, tagein befassen muss.

Die Mannix-Figur basiert übrigens auf dem realen Eddie Mannix, der tatsächlich den Hollywood-Sumpf in Ordnung brachte und die „Künstler“ vor den Haien der Klatschpresse wie Hedda Hopper und Louella Parsons zu schützen versuchte. Die werden wiederum beide von Tilda Swinton verkörpert.

Rettung finden wir nur in der Illusion

Und also erweist sich am „Ende“, wie es früher so schön im Abspann hieß, die postmoderne Kritik der großen Erzählungen als zutreffend: Politik, Wirtschaft, Religion, sie sind alle todgeweiht. Nicht aber die Fiktion, diese offensichtliche Lüge. Die Filmindustrie klopft sich selber auf die Schulter, als wollte sie sagen: Auch wenn du das alles hier durchschaust, ist das Licht der Leinwand immer noch besser als das ganze andere Zeug, das dich blendet und ablenkt und dich keineswegs rettet. Man kann es auch eine Nummer größer sagen: „Hail, Caesar!“ gibt uns die Hoffnung, dass wir uns selbst retten können, mit der visionären Kraft und Kreativität, die in uns steckt.

Obwohl die theologische Fraktion dann gleich wieder fragt, wo das eigentlich herkommt.

Berlinale Palast, 11.2., 19.30 Uhr (keine Kaufkarten). Friedrichstadt-Palast, 11.2., 20.30 Uhr u. 12.2., 11 Uhr. Am 18.2. kommt der Film, der letzte Woche bereits in den USA startete, in die deutschen Kinos.

Unsere Autorin Marcia Pally lehrt an der New York University und der Berliner Humboldt-Universität, ist Publizistin, Sprach- und Kulturwissenschaftlerin. Aus dem amerikanischen Englisch von Christiane Peitz und Jan Schulz-Ojala.

Marcia Pally

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