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Hanne Hiob: Vaterliebe

Die Schauspielerin Hanne Hiob, die Tochter Bert Brechts, ist mit 86 Jahren in München gestorben. Ein Nachruf.

Schon als junges Mädchen hatte sie die Augen und den Mund ganz des Vaters. Merkwürdig, wie die Brecht-Frauen, die Brecht-Spielerinnen fast alle den Typus der sinnlich Spröden, der herben Schönen, der strengen Bürgerbäuerin in Schwarzgrau und mit straff zurückgekämmten Zopf-Haaren verkörperten. Dabei sah Hanne Hiob auch der Schauspielerin Helene Weigel verblüffend ähnlich, obwohl sie gar nicht der Verbindung mit Brechts Protagonistin, sondern der früheren Liebe des Augsburger Jungdichters zur Opernsängerin Marianne Zoff entsprungen war.

Als Brecht dann zur Weigel ging und aus der bayerischen Heimat nach Berlin aufbrach, heiratete Mutter Zoff Ende der zwanziger Jahre den Schauspieler Theo Lingen. Das Münchner Hannerl wuchs nun in Wien auf, der leibliche Vater war längst im Exil, und die Tochter debütierte im Krieg noch als Ballettmäuschen der Wiener Staatsoper. Aber lieber wollte sie eine Theaterratte werden. Und Zähne zeigen.

Hanne Hiob, die kurze Zeit mit dem Berliner Arzt Dr. Hiob verheiratet war, hieß von nun an wirklich Hiob. Das war kein Künstlername, wie es jetzt in Agenturmeldungen fälschlich hieß. H. H. ging freilich kein biblisches Unheil an, sie strebte nach 1945 hin zur weltlichen, sozialistischen Erlösung: mit einer lebenslang durch keinen privaten oder politischen Zweifel getrübten Liebe zum Vater und seinem von ihr bisweilen auch melodramatisch verklärten Werk.

Als Gustaf Gründgens drei Jahre nach des Dichters Tod, doch noch auf dessen ausdrücklichen Wunsch 1959 in Düsseldorf die späte Uraufführung der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“ inszenierte, da war Hanne Hiob als Titelfigur dem kühlen epischen Zeige-Theater Brechts so fern, wie es eine gefühlige Schauspielerin im antikapitalistischen Herzensdrama nur sein konnte. Vielleicht hätte sie, die im persönlichen Gespräch oft ein breites, listig lustiges Brecht-Lachen anstimmte, auf der Bühne eher die Komödiantinnen, die Kobolde spielen sollen. Doch Hanne Hiob, die in ihrem Häuschen in Berlin-Halensee zwischen Picassos und Grosz-Zeichnungen lebte und in München ihre Freundin Therese Giehse beerbte, sie kämpfte lieber mit politischem Gestus gegen die „Hai-Society“. Jetzt ist sie mit 86 Jahren in München gestorben. P.v.B.

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