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SCHREIB Waren: Heute richtig, morgen falsch

Wissen hat Konjunktur. Auch wenn niemand genau weiß, was Wissen eigentlich ist.

Wissen hat Konjunktur. Auch wenn niemand genau weiß, was Wissen eigentlich ist. Als ob der Begriff selbst seinen eigenen Ansprüchen an Definier- und Überprüfbarkeit nicht so recht gehorchen will. Immerhin kann man bei Günther Jauch eine Millionen Euro gewinnen, wenn man die richtige Antwort auf 15 Fragen weiß – wie in der letzten Woche ein geerdeter Café-Betreiber aus Hannover. Oder eine ganze Ausstellung bestücken, wie man sie zurzeit im Martin-Gropius-Bau (bis 9.1., Mi–Mo 10–20 Uhr) unter dem Titel „Weltwissen“ besichtigen kann. Diese Ausstellung vermittelt nicht nur Einblicke in 300 Jahre Wissenschaftsgeschichte in Berlin, sondern wartet auch mit einem umfangreichen Begleitprogramm auf. Es umfasst Filmvorführungen genauso wie spezielle Kinder-Veranstaltungen.

In diesem Rahmen hält der Kunsthistoriker Hans Belting am Mittwochabend um 20 Uhr einen Vortrag mit dem Titel „Weltwissen ohne Kolonien. Zur Zeitgenossenschaft anderer Kulturen“. Das Wissen über die (andere) Welt, so Belting, sei lange Zeit ein Privileg der westlichen Wissenschaft gewesen. Nach ihren Methoden wurde die Erforschung der Welt vorangetrieben. Ausstellung und Sammlung waren dann Formate, um stolz die Ergebnisse präsentieren zu können. Diese Blick- und Deutungshoheit werde im globalen Zeitalter infrage gestellt. Künstler übernähmen Funktionen, die bisher die Wissenschaft besetzt hat. Sie würden zu Ethnologen, die in eigener Sache auftreten und den Anspruch „anderer Kulturen“ auf Zeitgenossenschaft anmelden.

Beltings Vortrag knüpft an einen aktuellen Strang der Wissensgeschichte an, der sich mit dem Gemachtsein von Wissen befasst. Demnach hat auch Wissen ein Haltbarkeitsdatum, und was eine Gesellschaft gestern noch zu wissen glaubte, gilt ihr heute vielfach als Unsinn. Wie aber erkennt man dann überhaupt etwas als richtig und etwas anderes als falsch? Und wie entwickelt sich Wissen weiter? Kann man dafür Kategorien wie Identität und Differenz bemühen?

Diesen Fragen geht der Molekularbiologe und Wissenschaftshistoriker Hans- Jörg Rheinberger am Donnerstag um 19 Uhr an der Humboldt-Universität nach (Unter den Linden 6). Sein Vortrag trägt den Titel „Differenzmaschinen. Über Reproduktionen in den Wissenschaften“ und findet im Rahmen der Mosse-Lectures statt. Diese interdisziplinär angelegte Vortragsreihe erinnert an die jüdische Verlegerfamilie Mosse und das gleichnamige Verlagshaus, in dem unter anderem das „Berliner Tageblatt“ erschien. Sie ist der Kultur und Wissenschaft verpflichtet und lädt international bekannte Wissenschaftler, Autoren, Künstler und Politiker ein. In diesem Semester lautet das Thema „Laufzeiten“. Für die Laufzeit und Dynamik modernen Wissens gilt dabei: Man kann über die Zukunft vieles wissen – nur nicht, was man zukünftig wissen wird, denn sonst wüsste man es schon heute. So bleibt zumindest die Zukunft ungewiss – ein bisschen zumindest.

Thomas Wegmann

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