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Schillernde Schönheit. Die Madonna Nuestra Señora de la Salud de Pátzcuaro.

© SMB/Ethnologisches Museum; digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Highlights für das Humboldt Forum: Wie Maria mit Kolibrifedern nach Berlin kam

Das Humboldt Forum stellt die Madonna auf der Mondsichel vor. Die Kuratorin, eine Primaballerina und eine Dragqueen über das Highlight-Objekt.

Alexander von Humboldt hat auf seiner großen Amerikareise nicht nur Pflanzen und Mineralien gesammelt – auch einige Kunstwerke brachte er mit nach Europa. In den Jahren 1803/04 bereiste er Mexiko und stieß dort auf ein Bild, das er selbst als „Federgemälde“ bezeichnete: das Federmosaik Nuestra Señora de la Salud de Pátzcuaro.

Es ist eine Darstellung der Gottesmutter mit Attributen der Unbefleckten Empfängnis: eine gekrönte Madonna, ohne Kind, auf einer Mondsichel stehend. Gefertigt aus Tausenden winzigen Federteilchen hält das Mosaik für den Betrachter eine Überraschung, ja eine kleine optische Sensation bereit: Aus einem bestimmten Blickwinkel oder bei einem gewissen Lichteinfall beginnen im Hintergrund der Madonna die Brustfedern des Kolibris plötzlich metallisch-blau aufzuleuchten und zu schillern. Verändert man die Perspektive, ist der beeindruckende Effekt wieder verflogen.

Der preußische König jedenfalls fand offenbar einen solchen Gefallen an dem Federmosaik, dass er, beinahe 40 Jahre nachdem Humboldt seine Madonna nach Berlin gebracht hatte, diesem gegenüber den Wunsch nach einem weiteren „Marienbild von Kolibrifedern“ äußerte.

Im aztekischen Kernland lebten keine Kolibris

Die äußerst filigranen Kunstwerke – bunte Kronen, Mäntel, Schilde, Schmuck und Mosaike, aus farbenprächtigen Federn gefertigt – waren ursprünglich hoch geschätzte Prestige- und Luxusgüter der aztekischen Adelsschicht. Schon vor der Eroberung Mexikos durch die Spanier 1521 waren die Federhandwerker, aztekisch amanteca genannt, hoch angesehen. Auch in der Kolonialzeit wurde ihre Kunstfertigkeit gefördert und bewundert, ihre privilegierte Stellung wurde in einem Erlass des spanischen Vizekönigs Salinas im Jahre 1610 bestätigt. In dieser Zeit entstanden Federkunstwerke zwar in vorspanischer Technik, aber mit christlicher Ikonografie und Funktion, wie Bischofsmützen, Altardecken, Kreuze und Heiligenbildnisse.

Das Marienbildnis ist einer Skulptur in der Basílica de Nuestra Señora de la Salud in Pátzcuaro, einer Kleinstadt im mexikanischen Bundestaat Michoacan, nachempfunden, wo die Heilige seit dem 16. Jahrhundert als Schutzpatronin der Hospitale verehrt wird.

Im aztekischen Kernland, dem Hochtal von Mexiko, lebten allerdings auch in vorspanischer Zeit keine Vögel mit leuchtend buntem Gefieder, wie es etwa Kolibris oder Papageien besitzen. Die Federn mussten daher von den weit entfernten tropischen Regenwäldern eingehandelt werden oder waren von unterworfenen Gemeinden als Tribut an den aztekischen Hof zu entrichten.

Die beachtlichen Mengen der eingetriebenen Federn sind in den Tributlisten einer aztekisch-kolonialzeitlichen Bilderhandschrift dokumentiert. So hatten beispielsweise acht Gemeinden einer Tieflandregion mit großem, begehrtem Vogelbestand jährlich je 400 Büschel kostbarer blauer und türkisfarbener Federn, je 800 Büschel roter, grüner, gelber und langer grüner Federn sowie 160 Vogelbälge mit Federn in türkiser und violetter Brust in die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan zu liefern (Codex Mendoza, Folio 47r).

Die Künstler klebten Tausende winzige Teilchen auf

Für die Federmadonna hat der unbekannte Künstler mindestens zwölf verschiedene Federarten ausgewählt. Die Federexperten aus dem Museum für Naturkunde Berlin konnten die Federn der Langschwanzwachtel, der Nordamerikanischen Krickente, der Silberente und einiger Kolibriarten identifizieren.

Die Werkzeuge, die für die Fertigung von Federmosaiken zur Verfügung standen, waren denkbar einfach. Der spanische Chronist Bernadino de Sahagún zählt Mitte des 16. Jahrhunderts alle auf: „Ein kupfernes Skalpell, ein Kupfermesser zum Schneiden der Federn, ein Knochenfalzbein zum Befestigen der Federn, ein Brett als Schneideunterlage, ein weiteres Brettchen zum Niederhalten beim Federschneiden.“ Die Federteilchen wurden einzeln auf ein Kupferblech aufgeklebt und ergaben so das farbenprächtige Gesamtbild.

Im Humboldt Forum wird die Madonna auf der Mondsichel in der Mesoamerika-Ausstellung einen prominenten Platz erhalten: Neben der Skulptur einer aztekischen Maisgöttin und eines aztekischen Feuergottes ist sie dort das dritte Objekt, das Humboldt gesammelt hat.

Die Autorin ist Kuratorin für die Archäologie Mesoamerikas am Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin.

„Die Madonna gibt mir Ruhe und Kraft“

Die filigranen Kunstwerke aus Federn gefertigt waren Luxusgüter der aztekischen Adelsschicht.
Die filigranen Kunstwerke aus Federn gefertigt waren Luxusgüter der aztekischen Adelsschicht.

© SMB/Ethnologisches Museum; digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Elisa Carrillo Cabrera

Die Erste Solo-Tänzerin im Staatsballett Berlin ist in Texcoco, Mexiko, geboren.

Ich habe meine Heimat Mexiko jung verlassen, aber ich fühle mich dem Land sehr verbunden – und das gilt auch für mein Verhältnis zur Jungfrau Maria. Die Madonna, ob auf diesem oder auf anderen Bildern, gibt mir Ruhe, Frieden, Kraft, ich spreche mit ihr in schwierigen Momenten oder vor großen Auftritten. Für mich ist es wichtig, dass man an etwas glaubt! Das Bild der Federmadonna habe ich nie im Original gesehen, aber ich finde es wunderschön.

Meine Mutter stammt aus einer Gegend in Mexiko, in der viel mit Federn gearbeitet wird, überhaupt sind Federn ein ganz wichtiger Bestandteil in der indigenen Kunst und im Kunsthandwerk. Wir Mexikaner sind Mestizen, wir fühlen uns sowohl der indigenen Kultur als auch der spanischen verbunden. Natürlich ist es traurig, dass die Kolonisatoren viel zerstört haben, aber daraus ist eine neue Kultur erwachsen, unsere Mestizen-Kultur. Wir nehmen beide Teile unserer Erbschaft an.

Ich finde Federn bezaubernd, sie sind so schön leicht und vermitteln ein Gefühl der Freiheit. Einmal habe ich bei einer Ballettproduktion eine Art Korsett aus schwarzen Federn getragen. Es fühlte sich an, als wenn ich ein Vogel wäre!

Protokoll: Dorothee Nolte

„Die katholische Kirche ist eine große Show”

Gloria Viagra

Dragqueen, politische Aktivistin, DJ(ane) und Leadsängerin der Band Squeezebox

Meine erste Assoziation, wenn ich die Federmadonna betrachte, ist: Diese Farben, dieses Weiß und Türkis, erinnern mich an den Indianerschmuck, den wir früher zu Fasching getragen haben. Das Bild wirkt auf mich mehr indianisch als christlich. Es ist traurig, was der Kolonialismus und die Missionierung angerichtet haben: dass diese großartige Federkunst der Azteken für solche christlichen Motive genutzt wurde, dass das in so einem Mischmasch endet. Das zeigt die Madonna auf eine sehr plakative Weise.

Die katholische Kirche ist aus meiner Sicht die größte Dragqueen-Show der Welt: all diese Männer, die sich Kleider und Röckchen anziehen, und hier noch eine Schmuckbinde, da noch ein Talar drüber ... das ist ja alles sehr prunkvoll.

In meinen eigenen Shows benutze ich nicht viele Federn, denn sie sind teuer, jedenfalls wenn man sich nicht mit gefärbten Hühnerfedern zufriedengeben möchte. Schöne, schmale, schillernde Federn kosten viel Geld; es ist ja auch richtig, dass diese Vögel geschützt sind. Eine billige Federboa hält höchstens ein halbes Jahr, dann fliegt einem das alles um die Ohren. Federn sind für mich schönster Schmuck – und sie bedeuten natürlich Wärme, Geborgenheit.

Passend zur Jahreszeit: ein kuscheliges Daunenbett.

Protokoll: Dorothee Nolte

Die nächsten Termine

Noch bis Mai 2019 stellt das Humboldt Forum 15 Highlight-Objekte vor, die die Vielfalt der künftigen Sammlungen widerspiegeln – in Gesprächen und einer Ausstellung auf der Museumsinsel und am Kulturforum. Der nächste Termin:

Federn, Lack & Breakdance
Mittwoch, 5. Dezember, 19.30 Uhr, Wandelhalle der Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin

Ausgehend von der Federmadonna sprechen Expertinnen und Experten über den Austausch und die Verbindung von Kulturtechniken, wie sie auch im Humboldt Forum erlebbar sein werden.

Vishnu, Zeus & Co

Donnerstag, 31. Januar, 19.30 Uhr, Altes Museum

Weitere Infos und Anmeldung für reguläre Tickets im Internet unter humboldtforum.com/highlights.

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