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Kultur: Im Glauben fest Der RIAS-Kammerchor und Beethovens Missa Solemnis

Es beginnt kontemplativ, beschaulich, fast demütig: „Kyrie eleison“, die uralte Anrufung an den Herrn, mit der schon in vorchristlicher Zeit die Gottesdienste eröffnet wurden. Hans-Christoph Rademann will in der Philharmonie allerdings nicht die Rolle des Hohepriesters einnehmen, das kann man an der genau abgezirkelten, analytischen Gestik ablesen, mit der er dirigiert.

Es beginnt kontemplativ, beschaulich, fast demütig: „Kyrie eleison“, die uralte Anrufung an den Herrn, mit der schon in vorchristlicher Zeit die Gottesdienste eröffnet wurden. Hans-Christoph Rademann will in der Philharmonie allerdings nicht die Rolle des Hohepriesters einnehmen, das kann man an der genau abgezirkelten, analytischen Gestik ablesen, mit der er dirigiert. Diese Missa Solemnis von Beethoven, eine weitere Frucht der Zusammenarbeit von RIAS Kammerchor und Akademie für Alte Musik Berlin, wird bei allem Kalkül kein professorales, blutleeres Gebilde. Sie lebt, ist durchpulst von Hingabe und Leidenschaft, nur eben nicht prall und romantisch-ausufernd im Karajanschen Sinne, sondern pathosfrei, schlank, transparent – gewissermaßen eine selbstreflexive Missa, die ihre eigenen Konstruktionsprinzipien offenlegt. Das liegt natürlich auch an den historischen Instrumenten, an Darmsaiten und Naturhörnern. Aber auch an dem einzigartig homogenen Klang des Chores, unterstützt vom Norske Solistkor, der viel dazu beiträgt, dass es ein entschlacktes und dennoch sinnliches Erlebnis wird. Glasklar, durchhörbar, imposant, ohne überwältigen zu wollen – so schichten sich die Stimmen in der gewaltigen Fuge über „Et vitam venturi saeculi“ im Credo. Wie intim Beethovens Zugang zum Glauben zugleich war, schimmert im Violinsolo des Sanctus durch (Konzertmeister Bernhard Forck): Sanft, singend, aber auch brüchig und verletzlich.

Ein Besetzungsdrama scheint sich bei den vier Gesangssolisten abgespielt zu haben: Drei haben kurzfristig abgesagt, was dazu führt, dass der eingesprungene Bariton Jochen Kupfer Probleme mit der tiefen Basslage hat. Stephan Rügamer sticht mit gleißendem Tenor unschön aus dem Quartett heraus. Überzeugen können dagegen die beiden Frauen: Hanna-Elisabeth Müller mit weißlich-goldenem Sopran und, vor allem, Gerhild Romberger, die Einzige aus der ursprünglichen Besetzung, mit rubinrot glühendem Alt – eine lebenserfahrene, reife Stimme, voller Freude und Güte, aber auch Schmerz. Sie verleiht dem Abend Farbe – einem Abend, der auf intelligente Weise zeigt, dass sich hinter der späten, spröden Klangsprache von Beethoven ein umso innigerer Glauben verbirgt. Udo Badelt

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