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Verhinderte Pauschaltouristinnen. Goldie Hawn und Amy Schumer als Mutter-Tochter-Gespann.

© Universal

Im Kino: "Mädelstrip": Das blonde Chaos

Amy Schumer ist Amerikas krasseste Komikerin. In „Mädelstrip“ macht sie zusammen mit Goldie Hawn den Dschungel unsicher.

Von Andreas Busche

Das kleine Format ist Amy Schumers große Stärke. Unzählige Videos auf Youtube zeugen von den Nehmer- und Geber-Qualitäten der amerikanischen Komikerin, es handelt sich um Sketche aus ihrer Show „Inside Amy Schumer“. Der Titel beschreibt eigentlich schon ganz treffend, wie ihr unverwüstlicher Humor beschaffen ist. Das „Inside“ kennt man aus einschlägigen Pornofilmtiteln, in Kombination mit den Stars des Genres üblicherweise ein Verkaufsargument im Segment des „Erwachsenenfilms“. Eine Anspielung also auf die Penetrationsfantasien von Schumers männlichen Fans.

Komikerinnen, die über ihre äußeren Geschlechtsmerkmale Witze reißen, erfreuen sich seit Sarah Silverman und Julia Louis-Dreyfus’ Vizepräsidentin in der HBO-Serie “Veep“ speziell unter Trägern des Y-Chromosoms wachsender Popularität. Der Titel hat aber noch eine einfühlsamere Konnotation, denn Schumers Humor dreht sich – wie bei fast allen amerikanischen Comedystars der jüngeren Zeit – um eine Kunstfigur, die große Ähnlichkeiten mit der Komikerin selbst aufweist.

Ist Schumer hübsch genug für die Kamera?

Schumers Witz beruht also darauf, dass sie – obwohl ihre Hardcore-Fans, männliche wie weibliche, dies vehement bestreiten würden – nicht ganz über die Idealmaße verfügt, die sie für eine Karriere in Hollywood oder im Fernsehen prädestinieren. Eine frühe Episode von „Inside Amy Schumer“ widmet sich allein dieser Frage: In einem Die-Zwölf-Geschworenen-Szenario diskutieren eine Handvoll männlicher Juroren (u.a. Jeff Goldblum, Paul Giamatti und Dennis Quaid), ob Schumer hübsch genug für die Kamera sei. Die Argumente dürften sie und andere erfolgreiche Kolleginnen im Lauf ihrer Karrieren hinreichend oft gehört haben, sie finden sich bis zum heutigen Tag auch unter zahllosen Nutzerkommentaren von Schumers Youtube-Videos. Für Amy Schumer sind sie Motivation genug weiterzumachen. In diesem Jahr geht ihre Show bereits in die fünfte Staffel.

Irgendwann allerdings stellt sich jedem erfolgreichen Comedian die entscheidende Karrierefrage: Wie meistert man als Virtuosin des kleinen Formats den Schritt zur Filmkomödie? Die Sendung „Saturday Night Live“ beweist seit über vierzig Jahren, dass der Sprung möglich ist, für Hollywood hat sich SNL über die Jahrzehnte als bewährte Humorfabrik erwiesen. Zuletzt gelang Kristen Wiig und Kate McKinnon der Wechsel ins Kino.

Nur burschikose Sexbombe, nein!

Amy Schumer ist hier noch mal ein Sonderfall. Sie hat innerhalb weniger Jahre eine Comedy-Persona entwickelt, die mehr ist als bloß eine Ansammlung von Tics und jederzeit abrufbaren Signaturwitzen. Auch auf die Rolle der burschikosen Sexbombe will sie sich nicht reduzieren lassen. Regisseur Judd Apatow erkannte das ganz richtig und gab Schumer für ihr Debüt in „Dating Queen“ (2015) freie Hand – als Autorin. Ihre saufende, promiskuitive Krawalljournalistin war sozial hochgradig unverträglich und dennoch schien durch diese unkontrollierte Energie eine rohe Verletzlichkeit hindurch. Schumer ist am besten, wenn sie ihre Witze selbst schreibt, weil die Kunstfigur Amy Schumer eben auch auf persönlichen Erfahrungen basiert. Das Vulgäre, Zotige dieser Figur ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, sich selbst immer wieder in ein Verhältnis zur Welt zu setzen.

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Vielleicht liegt darin auch schon das Dilemma von Jonathan Levines „Mädelstrip“, der als Amy-Schumer-Film so gar nicht funktioniert. Das Drehbuch schrieb Katie Dippold, die mit ihren Skripts für „Taffe Mädels“ und „Ghostbusters“ das kommerziell erfolgreiche Genre der „weiblichen“ Actionkomödie quasi im Alleingang erfunden hat. Die Formel wirkt diesmal allerdings reichlich abgegriffen, was entscheidend daran liegt, dass Schumers Talente an das Rollenprofil der Actionheldin hoffnungslos verschenkt sind.

Im Dschungel geht es gegen Drogenkartelle

In „Mädelstrip“ spielt sie an der Seite von Goldie Hawn, einer Geistesverwandten aus einer früheren Comedy-Generation, die Amy-Schumer-Persona Emily, die es diesmal mit etwas anderen Problemen als verkaterten One-Night-Stands und Alltagssexismus zu tun bekommt. Im Dschungel von Kolumbien muss sie sich als verhinderte Pauschaltouristin an der Seite ihrer Mutter eines Drogenkartells und Bandwürmern erwehren. Sie tötet zwei Entführer (natürlich aus Versehen) und stürzt sich an einer Seilwinde hinab in die grüne Hölle. In den Drehbüchern Dippolds war dieser Part stets Melissa McCarthy vorbehalten, aber Schumer ist ein anderes Kaliber. Körper-Comedy kann sie zwar, aber nicht als Klamauk.

Es gibt ein paar Momente in „Mädelstrip“, in denen das Drehbuch Schumer doch noch zu ihrem Recht verhilft: etwa die Break-up-Szene mit dem Ex, in der Emily nach kurzem Schock seine Trennungsversuche auskontert, indem sie ihm die Worte im Mund umdreht und dann mit ihm Schluss macht. Diese komische Verzweiflung ist die Kehrseite der penetrant-sympathischen Dickfelligkeit der Schumer-Figur. Doch solche Nuancen gehen in der schlappen Action und einer rührseligen Mutter-Tochter-Geschichte unter. Im Dschungel befindet sich Schumer eindeutig nicht auf vertrautem Terrain, auch eine rustikale Komikerin braucht ihr angestammtes Biotop, um aufzublühen. Für „Mädelstrip“ spricht immerhin, dass Amy Schumers beste Szenen früher oder später auf Youtube landen. Gleich neben ihren Sketchen.

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