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Ben Foster als Lance Armstrong

© dpa

"The Program" über Lance Armstrong: Der Rockstar liegt im Graben

Ausgedopt: Der Film „The Program“ von Stephen Frears zeigt die Abgründe des Radsportlers Lance Armstrong.

Sex hat der Radsport, trotz der Radlerhosen, wenig zu bieten, dafür umso mehr Drugs und Rock’n’Roll. Da passt es, dass Lance Armstrong in vielen Szenen von „The Program – Um jeden Preis“ zu den Klängen kreischender E-Gitarren durch die Alpen und Pariser Chausseen rast, umjubelt von den Fans am Streckenrand. Das Tempo, das er vorlegt, ist atemberaubend. Sieben Mal in Folge gewann der Amerikaner bis 2005 die Tour de France und stieg zum Rockstar des Radsports auf, ein Idol für Millionen Menschen weltweit, das den Krebs besiegt hatte und zum Sieger wurde. Doch wie viele Rockstars stürzte er am Ende wegen der Drogen ab. Mit dem kleinen Unterschied, dass Doping seine Leistungen überhaupt erst ermöglicht hatte.

Aufstieg und Fall des größten Sporthelden der jüngsten Zeit bieten nicht gerade einen perfekten Filmstoff. Aber es gibt auch kaum ein sperrigeres Thema als die versteckten und verzweigten Dopingsysteme im Spitzensport. Die ersten Bücher waren schon gedruckt, als Armstrong 2012 lebenslang gesperrt wurde und alle Titel verlor. Eines davon fiel Stephen Frears in die Hände. Der britische Regisseur hat sowohl das wahre Leben („Die Queen“, „Philomena“) als auch fiktive Vorlagen verfilmt („Gefährliche Liebschaften“, „High Fidelity“). Mit Sport hatte der 74-Jährige bisher wenig zu tun, von einem Fernsehfilm über Muhammad Ali einmal abgesehen. Dennoch erwarben seine Produzenten die Rechte am Sachbuch des irischen Journalisten David Walsh. Die Arbeit am Drehbuch und die Realisation fanden im Schweinsgalopp statt, um ja als erster Armstrong-Film ins Kino zu kommen.

Das hohe Tempo tut dem Film anfangs gut. Die Dramaturgie ähnelt einem Radrennen, die Tour de France beginnt schließlich auch mit Sprint-Etappen, bevor es in die Berge geht. Actiongeladene Szenen von echten Radrennen wecken zunächst die Faszination für die Hingabe und Aufopferung, die dieser Kampf mit dem eigenen Körper erfordert, und bieten den Boden für die Enttäuschung, die folgen muss, wenn der Schwindel auffliegt. Ben Foster, bislang auf Nebenrollen spezialisiert, sieht Lance Armstrong zwar kaum ähnlich, fängt aber dessen emotionale Widersprüche gut ein. Das enttäuschte Gesicht voller Matsch, als ihn die gedopten Konkurrenten abhängen. Die grimmige Entschlossenheit, wenn er sich an den Dopingarzt Michele Ferrari (wunderbar schräg: Guillaume Canet) wendet. Die Verzweiflung, als er von der Chemotherapie entstellt durchs Krankenhaus wankt. Auch Gewissensbisse sind Foster als Armstrong anzusehen, wenn er Krebspatienten Autogramme gibt, die ihn ihre Inspiration nennen. Doch gegen Ende verkommt die Armstrong-Figur zum Klischee eines James-Bond-Bösewichts, der seine Gegner vernichten will.

Ein Sportfilm ohne Sport

Dem Journalisten Walsh (Chris O‘Dowd) fehlt das Format zum Gegenspieler. Er hat gegen Armstrong recherchiert, bringt ihn aber nicht allein zu Fall und taucht folglich nur in einem Drittel des Films auf. Armstrong stürzt über Teamkollegen wie Floyd Landis (Jesse Plemons), die lange genug selbst mitdopen, zum Schluss aber gegen ihn aussagen. „The Program – Um jeden Preis“ erklärt die Fakten, lädt sie aber zu selten mit Emotionen auf. So wird daraus ein Sportfilm ohne Sport, der mehr in Hinterzimmern spielt als auf der Strecke. Frears quält sich nach rasantem Auftakt immer schwerfälliger durch die Bergetappen, bevor ihm das Finale bei der zu schnellen Talfahrt auseinanderfliegt wie ein klappriges Fahrrad. Vielleicht hätte Doping geholfen.

Ben Foster bekannte in Interviews, zur Vorbereitung selbst unter Aufsicht gedopt zu haben. Handgestoppt hängt Armstrong auch im Film gute 15 Minuten am Tropf herum. Der Anblick lässt auf Dauer selbst Nadelphobiker abstumpfen. Auch weil Doping, ähnlich wie Korruption und Manipulation, Sportfans nach einer Weile bloß noch ermüdet. Bis irgendwann der nächste Rockstar bejubelt wird.

In 10 Berliner Kinos.

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