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Echt. Erin Brockovich in Berlin.

©  Thilo Rückeis

Im Porträt: Erin Brockovich: Die Wasserfrau

Umweltaktivistin, Verbraucherschützerin, Filmfigur: Eine Begegnung mit Erin Brockovich, Protagonistin der Doku "Last Call at the Oasis".

Von Barbara Nolte

Nicht schlecht aufgedonnert sieht die Frau aus, die von sich sagt, sie sei Verbraucherschützerin. Die Haare trägt sie blondiert und toupiert, um ihren gebräunten Hals schlingt sich eine dicke Silberkette. In Deutschland sind Verbraucherschützerinnen anders gekleidet. Erin Brockovich kommt aus Los Angeles. Sie wurde zu den Filmfestspielen nach Berlin eingeflogen. Eine PR-Firma hat eine im typischen Hotelbiedermeier gestaltete Suite im Ritz Carlton für sie angemietet.

Da sitzt sie jetzt aufrecht hinter einer dekorativen Obstschale. Erin Brockovich spricht mit dunkler Stimme, der anzuhören ist, dass für wichtig genommen wird, was mit ihr gesagt wird. Sie ist längst zum Star geworden, die republikanische Politikerin Sarah Palin wurde gelegentlich als „Erin Brockovich von Alaska“ bezeichnet. Der sperrige Name ist eine Marke.

Zur Berlinale ist Brockovich als Protagonistin eines Films gekommen. „Last Call at the Oasis“, eine Dokumentation über die sich abzeichnende weltweite Wasserkrise, die gestern in der Reihe Kulinarisches Kino gezeigt wurde.

Es war verseuchtes Wasser, das sich für Erin Brockovich als Glücksfall erwies. Sie war 31 Jahre alt, zweimal geschieden. Sie brachte sich und ihre drei Kinder als Anwaltsgehilfin durch, als sie einem Fall von mit giftigem hexavalenten Chrom versetzten Trinkwasser im kalifornischen Dorf Hinkley auf die Spur kam und schließlich den dafür verantwortlichen Konzern mit einer Millionenklage in die Knie zwang. Der Regisseur Steven Soderbergh machte im Jahr 2000 aus ihrer Geschichte ein modernes Märchen. Julia Roberts spielte die junge Erin Brockovich kurz berockt und fluchend. Sie bekam für die Rolle den Oscar.

Die echte Brockovich, mittlerweile 51, legt Wert darauf, festzustellen, dass Julia Roberts sie, was Kleidungsstil und Vokabular angeht, genau getroffen habe. „Ich liebte damals meine kurzen Lederröcke und meine Korsagen“, sagt sie, laut auflachend. Dabei wurde sie nach dem Vergleich schon unzählige Male gefragt. Das Vexierbild zwischen ihr und Julia Roberts ist ihr Kapital. Anders als bei vielen anderen erfolgreichen Hollywoodfilmen gab es von „Erin Brockovich“ keine weiteren Teile. Stattdessen hat die echte Erin Brockovich die Rolle weitergespielt. Sie hat zwei Talkshows moderiert und drei Bücher geschrieben. Ihre Biografie mit dem Titel „Lern’s von mir. Das Leben ist ein Kampf, aber du kannst gewinnen“ stand auf den Bestsellerlisten.

Auf diese mit den Jahren nicht geschwundene Popularität setzt auch „Last Call at the Oasis“. „Ich komme aus dem Mittleren Westen“, sagt Brockovich zu Anfang des Films, man sieht dazu Kinder in einem Bassin planschen. Mit ihrem Vater habe sie oft am Fluss gesessen. Der Vater habe gesagt, sie werde es noch erleben, dass Wasser kostbarer sein wird als Öl. „Jetzt ist es so weit.“ Dazu schneidet die Regisseurin Jessica Yu Nachrichtenbilder von mit Kanistern um Wasser kämpfenden Bangladeschern.

Yu, die in den 90ern einen Dokumentarfilm-Oscar gewann, schlägt einen alarmistischen Ton an, wahrscheinlich weil die Wasserkrise für Amerikaner noch so wenig spürbar ist, wie das hexavalente Chrom im Wasser von Hinkley herauszuschmecken war. Es ist ein Film, gegen den man aufgrund der Wichtigkeit und Richtigkeit seines Anliegens nichts einwenden kann, doch der so pathosdurchtränkt ist, dass es für Europäer manchmal schwer erträglich ist. Der Film mäandert zwischen opulenten Landschaftsaufnahmen und tragischen Schicksalen hin und her. Unter anderem wird Erin Brockovich dabei begleitet, wie sie einem neuen Fall von verseuchtem Trinkwasser in Midland, Texas, nachgeht und eine erkrankte Frau tröstet.

Brockovich hat eine Beratungsfirma gegründet. Dort bekomme sie bis zu 60 000 Hinweise im Monat von Menschen, die hinter gehäuft auftretenden Krankheiten Umweltgifte vermuten, sagt sie. Die Umwelt ist ihr Lebensthema geworden. Sie habe, während sich nach der Explosion auf der BP-Ölplattform im Golf von Mexiko der Ölteppich ausbreitete, nachts geweint. „Die Katastrophe hat mein Herz gebrochen“, sagt Brockovich. „Es tut mir so leid für die Tiere und die Menschen.“ Sie ist mit ihren zur Schau getragenen Gefühlen durch und durch amerikanisch.

Ihr neuester Fall spielt in New York State. Eine Gruppe Mädchen leidet unerklärlicherweise an einem Tourette-Syndrom. Ihre Partner hätten festgestellt, sagt Brockovich, dass unter dem Schulgelände Gasvorkommen liegen, die abgebaut würden. Seitdem ist sie wieder in den US-Nachrichten zu sehen. Die Grenze zwischen Verbraucherschützerin und Verschwörungstheoretikerin scheint bei ihr mitunter fließend.

Erin Brockovich steht auf. Die Interviewzeit ist abgelaufen. Sie überragt alle anderen im Raum um zwei Köpfe. Da steht sie, breit lächelnd, auf hohen Absätzen. Eine blonde Sarah Palin.

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