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Unversehrt. Zahi Hawass vor der Goldmaske Tutanchamuns. Foto: imago/Xinhua

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Kultur: Im Zeichen des Skarabäus

Der Chef der ägyptischen Antikenverwaltung ist ein Mann Mubaraks, doch er will nicht gehen

Er gehört zu den bekanntesten Gesichtern Ägyptens. Sein Markenzeichen ist der „Indiana Jones“-Hut. Seine Website hat sogar einen Link zu einem weltweiten Fanclub. In Berlin ist er als der Jäger der Nofretete gefürchtet. Nun ist Zahi Hawass, lange Jahre allmächtiger Chef der Antikenverwaltung am Nil, selbst ein Gejagter. Seit Tagen protestieren hunderte Angestellte und Archäologie-Studenten vor den Toren der mächtigen Hauptzentrale im Stadtteil Zamalek und schleudern ihm das gleiche „Hau ab“ entgegen wie einer Woche zuvor Hosni Mubarak. Sie werfen ihm vor, ein Aufschneider und „Medien-Clown“ zu sein und sich nicht darum zu scheren, Arbeitsplätze für die tausende fertig ausgebildeter Archäologie-Absolventen zu schaffen oder den Angestellten faire Gehälter zu zahlen.

Mehr noch: Auch die Plünderung im Ägyptischen Museum zu Beginn der Unruhen sowie die Fernsehbilder, die ihn zusammen mit Hosni Mubarak als neu ernannten Minister für ägyptische Altertümer zeigten, haben dem Ansehen von Hawass schwer geschadet. Man sollte Mubarak die Chance zu Reformen geben, sagte er damals im Interview, mit dem er sich auf die Seite des Regimes stellte. Wenige Stunden nach dem spektakulären Einbruch in die obere Etage des weltberühmten Museums versicherte der Antikenchef vor laufenden Kameras, es sei nichts gestohlen worden, obwohl er und der neue Museumsdirektor Tarek al-Awadi – wie inzwischen klar ist – es schlechter wussten. Tatsächlich waren unersetzbare Exponate verschwunden, wie die beiden Experten mit einem Blick auf die zerstörten Vitrinen gesehen haben mussten: darunter zwei vergoldete Tutanchamun-Statuen und eine feine, bemalte Kalksteinfigur von Pharao Echnaton.

Nun steht Hawass im Verdacht, die brisanten Informationen bewusst verschwiegen zu haben, um das bedrängte Regime von Mubarak nicht noch weiter zu schwächen. Erst zwei Wochen später, nach dem spektakulären Sturz des Präsidenten rückte er mit der Wahrheit heraus und löste die Fahndung aus – die Diebe aber sind längst über alle Berge. Es fehlen 18 Exponate, räumte er ein, und wahrscheinlich sind es noch mehr. Inzwischen sind drei Stücke wieder aufgetaucht. Ein Skarabäus fand sich im Garten des Museums, eine kleine Figur unter einer der zertrümmerten Vitrinen. Eine Kalksteinstatue des Pharaos Echnaton „von unschätzbarem Wert“, wie Hawass betonte, entdeckte ein 16-jähriger Demonstrant am Abend des Unruhetages neben einer Mülltonne liegend und nahm sie zur Sicherheit mit nach Hause. Sein Onkel, Professor an der Amerikanischen Universität Kairo, informierte jetzt das Museum und brachte das Exponat zurück.

Sein fragwürdiges Verhalten versucht Hawass in den letzten Tagen durch verkrampfte Scherze zu übertünchen. Die Plünderer hätten den neuen, erst Ende November eröffneten Andenkenshop für das eigentliche Museum gehalten und komplett ausgeräumt, versuchte er auf einer Pressekonferenz weiszumachen. Das Ägyptische Museum selbst aber sei nach wie vor sicher. Insgesamt seien über hundert Täter am Werk gewesen, neun sitzen jetzt hinter Schloss und Riegel, der Rest konnte entkommen. Seine Kritiker haben jedenfalls per Facebook für Freitag zur nächsten Protestversammlung aufgerufen – gegen „Korruption und Günstlingswirtschaft“ in der Antikenverwaltung.

Der umtriebige „Indiana Jones“ Kairos, der Präsident Barack Obama bei dessen Besuch die Pyramiden zeigte, könnte bald das nächste Opfer der Revolution am Nil sein. Dabei hat er sich auch Verdienste erworben. Unter seiner Regie wurden die ersten Generationen ägyptischer Archäologen ausgebildet, die nun allerdings zu Hunderten auf der Straße stehen, weil der Staat sie nicht alle beschäftigen kann. Im Tal der Könige bei Luxor gibt es inzwischen die erste Grabung allein durch ägyptische Ägyptologen. Auch hat der 63-Jährige mit dem Chaos bei den ausländischen Grabungslizenzen aufgeräumt und viele Monumente besser beschützen lassen, darunter die Pyramiden von Giseh. Aus einer ignoranten Bürokratie formte er eine effiziente Verwaltung, wie ihm ausländische Experten bescheinigen. Ein Netz von Regionalmuseen wurde in Angriff genommen sowie das neue Nationalmuseum in Giseh geplant.

Der Medienstar hat nicht zuletzt die Pharaonenzeit bei der ägyptischen Bevölkerung populär gemacht: Waren zu Beginn seiner Amtszeit 2002 nur zwei Prozent aller Museumsbesucher Einheimische, sind es heute über zehn Prozent.

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