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© Cinetext

Interview: Maren Kroymann: "Eine attraktive Frau darf sogar Stalinistin sein"

Maren Kroymann erklärt, warum Guido Westerwelle leicht tuntig wirkt, weshalb sich schwule Fußballer nur kollektiv outen sollten und Harald Schmidt zu abgebrüht ist.

Frau Kroymann, Sie wirken so entspannt und vergnügt.



Ich war ja eine Woche Skifahren – wunderbar!

Dabei müssen die vergangenen Jahre für Sie die schiere Hölle gewesen sein.

Bitte? Wie kommen Sie darauf?

Wenn man der Serie „Klimawechsel“ glaubt, taumeln Frauen ab 45 zwischen totaler Hysterie und tiefer Depression.

Um Gottes Willen, Sie sollten das nicht wörtlich nehmen. Doris Dörrie hat eine Satire geschrieben. Die Frauen darin sind verrückt, durchgedreht – es soll ja lustig sein. Ich selbst hab’ das Klimakterium nicht so extrem erlebt. Schwitzen kenne ich, Herzrasen auch, ein paar Schwindelzustände, die Augen sind schlechter geworden. Aber was ist da normales Altern und was sind die Wechseljahre?

Die Damen im Film rennen zum Psychologen, schlucken Hormonpillen, der Kühlschrank ist voller Anti- Aging-Cremes, sie gehen zum Schönheitschirurgen, schrecken selbst vor einer Vaginalstraffung nicht zurück …


… und diese ganze Operationsnummer ist im wahren Leben ja wirklich nicht meine. Ich spiele nur eine Frauenärztin, die sich selbst Botox spritzt, die gemein und hinterhältig ist. Das war ein großer Spaß für mich, sonst bin ich ja oft die tapfer Emanzipierte, die Gute.

Die Ärztin, die Sie spielen, macht es sich in ihrer Praxis auf dem Gynäkologenstuhl bequem, der Liebhaber lässt die Hose runter und ...

… das ist eine grandiose Situation! Jede Frau kennt diesen Moment, wenn sie auf so einem Stuhl sitzt und dem Frauenarzt ausgeliefert ist. Und hier setzt sich eine Frau freiwillig hin, nicht als Opfer, sondern um ihre Lust zu befriedigen. Toll!

Meist leiden die Frauen in der Serie unter einem gnadenlosen Leistungsdruck der Männer, ästhetisch wie erotisch. Sind Sie froh, bei diesem heterosexuellen Konkurrenzkampf nicht mitmachen zu müssen?

Ja. Das Älterwerden ist für eine Frau, die mit Frauen zusammen ist, leichter. Ich sehe immer wieder, wie auch jüngere Lesben ältere Frauen interessant finden. Sie mögen das Reife, vielleicht auch Überlegene, sie lieben das Untussige. Natürlich sind auch Lesben eitel, wollen gefallen. Doch Frauen gefällt etwas anderes als Männern. Intellektuelle, ältere Frauen gelten bei Männern eher als unerotisch, und wenn sie dann noch Humor haben, ist das für Männer ganz schwer auszuhalten. Klug und witzig sind wir selber, sagen die Männer, wir brauchen euch für etwas anderes.

Sie haben eine richtig gute Meinung von Männern.

Unbedingt. Ich finde, es gibt durchaus entwickelte Männer.

Hella von Sinnen war die erste prominente Frau im Land, die sich geoutet und öffentlich mit ihrer Partnerin Cornelia Scheel gezeigt hat. Sie sind diesen Schritt 1993 im „Stern“ gegangen. Was hatte Sie dazu bewogen?

Ich wollte die beiden nicht länger alleine im Regen stehen lassen. Außerdem passte der Zeitpunkt für mich: Meine letzte Männerbeziehung war schon eine Weile her, sodass niemand sagen konnte, mit dem hat’s nicht geklappt, jetzt ist sie in der Not lesbisch geworden. Und ich war durch Fernsehserien wie „Oh Gott, Herr Pfarrer“ und „Vera Weskamp“ ein prominentes Gesicht. Solidarisch zu sein finde ich richtig, und ich lebe nicht gern verdruckst.

Es hat Ihnen nicht geschadet?

Nein. Ich hatte da schon mit „Nachtschwester Kroymann“ eine eigene Satiresendung für die ARD in der Planung – und die Hoffnung, die Menschen werden so aufgeklärt sein, dass es mich nicht die Karriere kostet. Man muss sich vorher prüfen, ob man das aushält. Das Leben verändert sich, man wird anders angeguckt.

In jüngster Zeit ist Guido Westerwelle kritisiert worden, weil er seinen Lebensgefährten Michael Mronz auf Reisen ins Ausland mitgenommen hat. Wenn er mit einer Frau unterwegs wäre, so Westerwelle, würde das keinen stören. Hat er recht?


Mronz macht ja nicht das klassische Damenprogramm und besucht Kindergärten. Er ist Geschäftsmann mit einer Eventfirma, und dagegen ist nichts zu sagen, ich wünschte, andere Politiker hätten erfolgreiche Frauen neben sich. Nur darf man doch genau hinschauen, ob Mronz so eine Reise begleitet oder ob er sie nutzt, um zu antichambrieren, Kontakte herzustellen, Vorteile daraus zu schlagen. Da würde man bei einer Frau auch meckern!

Westerwelle reagiert gereizt auf solche Vorhaltungen. Klaus Wowereit hat ihm geraten, nicht jede Kritik „unter den Generalverdacht der Homophobie“ zu stellen …

… und das ist richtig. Wenn Homosexualität selbstverständlich sein soll, dann gilt eben auch: Wir machen Fehler, wir müssen uns kritisieren lassen. Doch natürlich gibt es auch Homophobie. Wenn ich höre, Westerwelle soll seinen Partner nicht in islamische Länder mitnehmen, das sei eine Provokation, so etwas finde ich eine ganz rückschrittliche Position. Er muss als Homosexueller schon mehr einstecken als andere.

Der Journalist Elmar Kraushaar schreibt seit Jahren in der „taz“ die Kolumne „Der homosexuelle Mann …“. Er nennt Westerwelle „einen klassischen Klemmhomo“, weil er die Worte „schwul“ oder „homosexuell“ niemals öffentlich in den Mund nehme.

Westerwelle war ja nie schwulenbewegt, er kann für die Community keine Galionsfigur sein. Er hat sich 2004 mit seinem Partner geoutet, weil er mal Außenminister werden wollte, so nach dem Motto: Es lässt sich halt nicht mehr vermeiden. Ich habe immer das Gefühl, er benutzt das strategisch, das ist keine Sache, die aus dem Herzen oder einer Überzeugung kommt. Komisch ist – jetzt werde ich mal gemein –, dass er tuntiger wirkt als andere. Wowereit oder nun auch Ole von Beust sind souverän, lässig, humorvoll, irgendwie cool. Westerwelle ist ja intelligent, nur ist da auch etwas Besserwisserisches, das ins Arrogante lappt, und das vereint mit seiner klemmigen Art wirkt leicht tuntig. Beliebt macht das nicht. Auch das ist eine Spielart von Homophobie: In der Gesellschaft mag man besonders die männlich aussehenden Homosexuellen.

Der „Spiegel“ lobte gerade Miriam Meckel und Anne Will dafür, sie würden gar nicht aussehen wie „Kampflesben“.

Ich hab’ auch schon gehört: Von Ihnen hätte ich das nicht gedacht, Frau Kroymann, Sie sehen gar nicht so aus! Das war anerkennend gemeint. Mich hat es eher verwirrt, denn ich bin ja lesbisch. Sagt man zu einem Farbigen: Super, so pechschwarz sind Sie ja gar nicht!? Nachdem Will und Meckel den Satz „Ja, wir sind ein Paar“ gesagt hatten, hat sich „Bild“ tagelang überschlagen, man hätte denken können, wir sind eine extrem lesbenfreundliche Gesellschaft. Stimmt nicht. Es ging um schöne Frauen mit Dekolleté, die gut zu fotografieren sind. Es geht immer ums Aussehen. Sahra Wagenknecht ist so attraktiv, die darf sogar Stalinistin sein.

Ist das jetzt Kabarett?

Nein, mein Ernst! Ich schätze diese Lesben mit kurzen Haaren, Holzfällerhemd und gesundem Schuhwerk. Sie wurden lange verächtlich behandelt und verlacht, sie verdienen Verehrung und Dank.

Wären Guido Westerwelle und Angela Merkel für Sie als Kabarettistin attraktive Opfer?

Nein, eher langweilig.

Sie haben doch im „Vorwärts“ mal über „Das Busenwunder von Oslo“ geschrieben.

Das war eine Ausnahme. Da hatte die Kanzlerin einmal nicht das übliche Sakko an und bekommt eine sensationelle Presse, weil sie ihre Brüste zeigt. Plötzlich wird entdeckt: Das ist ja eine Frau!! So etwas amüsiert mich.

Wenn Sie mal richtig lachen wollen, was schauen Sie dann an?

Die Sendung „Pelzig unterhält sich“. Der kommt ab und an in der ARD …

… am 8. April zum Beispiel um 23 Uhr 30 …

… und macht keine klassische Satire. Ich sah ihn mal mit dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx, in dem Gespräch ging es um Gott und die Welt inklusive Missbrauch …

… und das klingt gar nicht lustig.

Doch! Pelzig ist intelligent, hintergründig, ohne seinen Gast zu verdammen. Man sieht da keine billige Politiker-Parodie, das ist absolut kulturvolle Unterhaltung. Das alte Kabarett ist für meinen Geschmack ein bisschen überholt. Eine hübsche Harald-Schmidt-Parodie würde ich gern mal machen, das ja.

Schmidt wird vom Feuilleton längst als omnipotenter Weltendeuter gehandelt – so wie etwa der Philosoph Peter Sloterdijk.

Er ist damit doch ein ganz klein wenig überschätzt. Ich war mal ein echter Fan von seinem politisch unkorrekten Humor. Doch inzwischen gibt er sich mit seiner Arbeit keine Mühe mehr. Schmidt bekommt viel Geld dafür, ist gebildet, schlau, aber er zeigt überhaupt keine Haltung, zu nichts. Er wirkt nur noch so … abgebrüht, ja: abgebrüht. Lachen kann ich dagegen bei Anke Engelke.

Dabei erfanden Sie für Frauen wie Anke Engelke oder Barbara Schöneberger mal den Begriff „Abbildungskarrieren“.

Das Wort gefällt mir immer noch. Ich schätze die beiden, sie sind gut und klug und schlagfertig. Schöneberger ist ja noch mehr als Engelke durch ihre großen Brüste ins Bewusstsein der Männer gekommen. Es gibt Fotos, da quellen ihre Titten richtig aus dem Oberteil. Man kann es selbstironisch sehen, aber es bedient den Grundsatz: Wer Körper zeigt, bekommt Aufmerksamkeit.

Sie sind in Tübingen aufgewachsen und dann 1971 nach Berlin … würden Sie sagen: geflohen?

Erst mal war ich nach dem Abi ein Jahr auf einem Frauen-College in den USA, das war für mein Selbstbewusstsein unheimlich wichtig. Ich hatte Schauspielunterricht, lernte fechten, besuchte Kurse in Psychologie. Dann hab’ ich in Tübingen studiert, Anglistik und Romanistik, bin für ein Jahr nach Paris, weil mein Französisch so schwach war – und da hat es politisch geschnackelt. Ich las Lenin, Marx, seine Feuerbach-Thesen … Berlin war da ein logischer Schritt.

Hat die Lektüre was gebracht?

Sie hat meinen Horizont erweitert. Ich bin da ganz altmodisch: Gut ist, was bildet. Philosophie, Soziologie, das Kapital I bis III. Ich war im Sozialistischen Frauenbund und habe im Eisler-Chor mitgesungen. Solidaritätslieder am 1. Mai, Demonstrationen gegen den Paragraphen 218, mein erstes selbst geschriebenes Flugblatt. Das brauchte ich zwar nicht fürs Examen, doch nur mit Schauspielschule im Rücken hätte ich mich 1982 mit meinem ersten Soloprogramm „Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh“ nicht vors Publikum getraut.

Was war das für eine Show?

Ich sang Schlager der 50er Jahre, die das Frauenbild dieser Zeit transportieren. „Cindy, oh Cindy, dein Herz muss traurig sein, der Mann, den du geliebt, ließ dich allein.“

Die unvergessene Margot Eskens.

Aber hallo! Oder Conny Froboess: „Komm her, du darfst mich küssen, mein little Boy, ich will in deinen Armen happyenden, mein little Boy, ich bleib dir treu …“ Damit wurden die Frauen wieder zurückgestutzt, die den Laden geschmissen hatten, als die Männer im Krieg oder in Gefangenschaft waren. Zwischen den Liedern hab’ ich Sketche gespielt. Das lief gut, zuerst auf der Volksuni, dann im Grips-Theater vor 350 Leuten, ins Alhambra-Kino in Moabit kamen schon 700, das Quartier Latin wurde voll …

… die Spielstätte heißt längst „Wintergarten“ …

… und dann folgte ein Plattenvertrag, ein Auftritt bei Alfred Biolek im Fernsehen. So ging das los.

Frau Kroyman, der Profifußball hat im Moment einen handfesten Skandal: Schiedsrichterfunktionär hat Liebschaft mit dem talentiertesten jungen Schiedsrichter, der ihm erst Liebesbeteuerungen zusendet und dann sexuelle Belästigung vorwirft. Haben Sie das ein wenig verfolgt?

Alles, was mit Schwul oder Lesbisch zu tun hat, lese ich. Es war ja längst überfällig, dass die Bastion Fußball mal fällt. Es ist doch merkwürdig, dass es große Bereiche der Gesellschaft gibt, in denen Homosexuelle gar nicht vorkommen. Ich hatte immer gedacht, hoffentlich outet sich nicht mal ein Fußballer alleine, die müssen es kollektiv machen wie die Frauen bei der Kampagne „Ich habe abgetrieben“. Dann entsteht nicht so ein wahnsinniger Druck auf einen alleine. Dieses Land ist ja nicht die Motzstraße nach 23 Uhr.

Mit der Emanzipation von Schwulen und Lesben sei es nicht weit her, schrieb die „FR“, man habe sich nur „an ein paar Symbolfiguren gewöhnt“. In den Chefetagen von Banken und Konzernen: Fehlanzeige.

Leider, ja. Und nennen Sie ruhig auch den seriösen Journalismus. Da gibt es nur Anne Will.

Es gibt auch die Fernsehmoderatorin Bettina Böttinger, die von Harald Schmidt auf sehr unfeine Art zwangsgeoutet wurde. Und bekannt ist die frühere TV-Journalistin und Schriftstellerin Mirijam Müntefering, die sich für die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften engagiert …

... und die schätze ich beide, aber ich rede jetzt von der oberen Machtebene dieser Branche. Wissen Sie, was ich noch beobachtet habe? Das gilt auch für Schauspieler, nur merkt es niemand. Bei den feuilletonfähigen Theatern, ist da jemand schwul oder lesbisch? Null! Die halten dicht. Es gibt nur die bekannten Dirk Bach, Georg Uecker, Ralf Morgenstern, Thomas Hermanns – alles die Abteilung Entertainment. Diese Tapferen dürfen sich im Ghetto der guten Laune tummeln. Den Grand Prix und das Dschungelcamp moderieren, das lässt man sie gerade noch, das gilt als kulturell nicht hochstehend.

Ein schwuler Bürgermeister geht, ein schwuler Hamlet nicht? Seltsam.

Mich müssen Sie da nicht fragen, ich halte es für längst überfällig, dass da welche aufstehen, es gibt ja so viele. Ich registriere eine große Angst, die Begründung ist immer: Ich möchte für alle Rollen infrage kommen, den Liebhaber, den Vater … Und nachher gelte ich noch als HIV-positiv!

Biolek und Hape Kerkeling sind erfolgreich.

Ich sag ja: Showbusiness! Auch sie decken einen Bereich ab, wo viele Bildungsbürger sagen: Wissen Sie, ich gucke nicht fern. Und sie sind beide geoutet worden, damals von Rosa von Praunheim, und da ist immer der der Böse, der andere outet.

Guido Westerwelle wird Schirmherr der Gay Games in Köln, das muss Sie doch freuen.

Ich find’s ja gut, aber es ist so durchschaubar. Dem Superstrategen geht es politisch so elend, da sucht er schon in der schwulen Community nach Unterstützung, die er früher ignoriert hat.

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