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Anstelle der Gemälde beobachtet Museumswärter Johann (Bobby Sommer) lieber die Besucher.

© museumhoursfilm / promo

Jem Cohens Romanze „Museum Hours“: Liebe, im Auge des Betrachters

Wenn zwischen den Gemälden Alter Meister zwei Liebende zusammenfinden: Regisseur Jem Cohen entdeckt in "Museum Hours" die stille Erotik der Museen.

Wien leuchtet kein bisschen für Anne (Mary Margaret O’Hara). Aber die Frau aus Kanada zieht es auch nicht als Touristin in die barocke Prachtstadt. Ihre Cousine liegt im Koma, und Anne verbringt den eiskalten Wiener Winter am Bett der Verwandten im Hospital. Ausgleich schafft das Kunsthistorische Museum. Ein Besuch in den geheizten Räumen wärmt auf, und die Gesellschaft von Cranach und Bruegel ist billiger als ein Nachmittag im Café.

Für Anne, die kaum Geld hat, glänzen die Figuren unter dem Firnis. Sie liebt die Malerei, lässt sich durch die Säle treiben, taucht ein in die Geschichten von Sündenfall, Kreuzigung und nackten Frauen in sakraler Gestalt. So weckt sie das Interesse des Museumswärters Johann (Bobby Sommer), der sich längst von den Gemälden abgewandt hat. Lieber beobachtet der grauhaarige Mann die Besucher und denkt sich ihre Biografien aus. Anne ist schwer einzuordnen. Zaghaft beginnen die beiden, sich zu unterhalten: über Sex, Liebe, Gott und den Tod.

Der amerikanische Regisseur Jem Cohen, Jahrgang 1962, der sich mit Experimental- und Essayfilmen über Landschaften, Musiker und Künstler einen Namen gemacht hat, lässt „Museum Hours“ wie eine Romanze beginnen. Im Fluss der ruhigen, oft melancholischen Szenen erweist sich sein Film bald als inspirierender Dialog über existenzielle Dinge. Johann ist an Frauen nicht interessiert. Aber an Annes Sicht auf die Welt. Gemeinsam erobern sie den Raum außerhalb des Museums, besuchen verrauchte Kneipen, entdecken Sehenswürdigkeiten, die nicht im Reiseführer stehen. Und Wien wird sympathisch, trotz der eisigen Kälte.

Die beiden Laiendarsteller lassen die Geschichte authentisch wirken. Mary Margaret O’Hara ist im wahren Leben Künstlerin, Bobby Sommer war in London Roadie für Rockbands, später arbeitete er als Tourmanager in Berlin. Für den Film hat er die laute Musikbranche gegen die Stille des Museums eingetauscht. Altehrwürdigen Museen, sagt Jem Cohen, haftet eine Erotik an, „die im Widerspruch zur vielleicht vorherrschenden, bedauerlichen Ansicht steht, sie seien archaisch, bieder und irgendwie irrelevant“. Den Fans Alter Meister muss er das nicht erzählen. Allen anderen gibt „Museum Hours“ eine Idee davon.

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