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John Power: Unter der Käseglocke des Künstlers

Das Projekt „Sculpture Network“ bringt Bildhauer und Kuratoren zusammen.

Jedes Geräusch zieht ein Echo nach sich. Drähte hängen von der Decke, Kabel liegen auf dem Boden. Staubwolken steigen auf, betritt man den düsteren Ort in Friedrichshain. Hier, im dritten Stock einer alten Brauerei, richtet John Power seine Galerie ein. „Das Leben eines Künstlers ist einsam“, meint der irische Bildhauer. Er zog vor sieben Jahren nach Leipzig, wo er in der Baumwollspinnerei arbeitete und ausstellte. Bis er sich entschloss, sein Glück in Berlin zu versuchen.

„Du brauchst jemanden, der dir hilft“, dachte Power und nahm zwei Maler mit in die Hauptstadt. Als „Gruppe 11“ bohrt und hämmert das Trio in seinem künftigen Ausstellungsraum. „Du brauchst jemanden, der dich unterstützt“, dachte Power weiter, und trat vor vier Monaten „Sculpture Network“ bei: einem Netzwerk für Liebhaber zeitgenössischer dreidimensionaler Kunst.

„Sculpture Network“ funktioniert auf den ersten Blick wie Facebook. Jeder kann Mitglied werden, jeder kann ein Online-Profil erstellen und jeder kann mit jedem kommunizieren. Nur lautet bei Facebook die Zielgruppe „jeder“: Sculpture Network begrenzt seinen Club auf Europa, richtet sich an Künstler, Kunstmittler und Kunstfreunde, die Skulpturen schätzen – und funktioniert nicht bloß virtuell. Seit die Non-Profit-Organisation 2004 gegründet wurde, hat sie 650 Mitglieder in 34 europäischen Ländern gewonnen, einen dreiköpfigen Vorstand gewählt, Newsletter verschickt, Wettbewerbe ausgeschrieben, regionale Treffen veranstaltet, aber auch Symposien in Österreich, Polen, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden. Dort trifft man sich beim Empfang, hört Vorträge in drei Sprachen, besucht Ausstellungen, knüpft Kontakte.

Marc Wellmann, der sich 2006 bei „Sculpture Network“ anmeldete, war sogar schon auf dem Weg zu seiner ersten Tagung in Barcelona erfolgreich. Im Flugzeug lernte der Kurator des Georg- Kolbe-Museums den Künstler Markus Schaller kennen. Jetzt kooperieren die beiden: Schaller stellt bei Wellmann aus. „Mit dem Gemälde weiß man umzugehen“, meint Wellmann. „Die Skulptur steht erst mal herum.“ Er befürwortet ein Netzwerk, das auf Plastik fokussiert, sie präsentiert und deutet. Und was bringt es den Künstlern?

Nils-R. Schultze flutete bereits Brunnen am Brandenburger Tor, auf dem Viktoria-Luise-Platz, im Köllnischen Park und in der Urbanstraße – mit Licht. „Wenn schon kein Geld für Wasser da ist“, sagt der Installationskünstler. Als Mitglied im Skulpturennetzwerk erhofft er sich jetzt, „aus der Berliner Käseglocke rauszukommen“. Darum reiste er zum letzten Symposium nach Liechtenstein. Prompt kam ihm, gemeinsam mit dem Vorstand von „Sculpture Network“, eine Idee: Sie planten einen Neujahrsbrunch mit über 500 Gästen an 19 Orten, der sich anfühlen soll, als esse man mit Freunden. Eine gute Sache also. Anfängliche Skepsis gegenüber dem Netzwerk scheint jedenfalls verflogen. Wellmanns Befürchtung, „Sculpture Network“ käme „vereinsmeierisch daher“, wurde nicht bestätigt. Auch wenn der Schwerpunkt auf der Internationalität weiter ausgebaut werden könne, wie der Kurator findet. Die Künstler wiederum werten den Mitgliedsbeitrag als einziges Hindernis. Der Standardpreis liegt bei 120, für Förderer bei 350 Euro, wobei Ostdeutsche und Osteuropäer stets die Hälfte zahlen.

„Es ist ein bisschen teuer“, sagt auch John Power auf seinem Weg in ein Café. Die Renovierung strengt an. „Aber Sculpture Network hat Potenzial. Man weiß bloß nicht, wann und wie es sich auszahlt.“ Ein Prinzip, das dem Neuberliner gefällt: unbekanntes Land, andere Stadt, neues Ziel. Er hebt die Schultern. „Man braucht Abenteuer. Sonst wird das Leben langweilig.“

Sculpture Network, www.sculpture-network.org oder Tel.: 08157-9979010.

Annabelle Seubert

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