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Kultur: Jorge Amado: Mit Zimt und Nelken

So sieht eine literarische Weltmacht aus: Erst werden die Bücher des Brasilianers in China, Korea, Vietnam, der Sowjetunion und der DDR veröffentlicht. In den 60er Jahren überspringen sie die Mauer Richtung Westen und erobern von der Bundesrepublik aus, nicht zuletzt dank ihres tatkräftigen Übersetzers Curt Meyer-Clason, Westeuropa und Nordamerika.

So sieht eine literarische Weltmacht aus: Erst werden die Bücher des Brasilianers in China, Korea, Vietnam, der Sowjetunion und der DDR veröffentlicht. In den 60er Jahren überspringen sie die Mauer Richtung Westen und erobern von der Bundesrepublik aus, nicht zuletzt dank ihres tatkräftigen Übersetzers Curt Meyer-Clason, Westeuropa und Nordamerika. In 54 Sprachen sind die Werke Jorge Amados übersetzt worden, heißt es offiziell, aber es sind wohl noch weit mehr. Der brasilianische Victor Hugo, so nannte ihn eine Pariser Bäckerin und scholt ihn, weil er inkognito seine Baguette kaufte, statt sich vorzustellen.

Jorge Amado hat mit seinen äußerst erfolgreichen Romanen wie kein anderer das Bild Brasiliens geprägt. Heiß ist es dort nicht nur in der Sonne, sondern auch zwischen den Menschen. Die Tropen sind eine Heimstätte der Gewalt, der Sinnlichkeit und der Solidarität unter den Ausgegrenzten dieser Erde, mögen sie nun Landarbeiter, Prostituierte, Fischer, freigelassene Sklaven oder Bänkelsänger sein. Amados Bücher sind Loblieder auf die Kraft und die Lebensfreude eines Mischlingsvolkes, das sich gegen Unrecht und Ausbeuter zur Wehr setzt.

Den Stoff für die immerhin knapp 40 Romane, die in unendlich scheinender Schöpferkraft aus seiner Feder flossen, will Amado immer der Wirklichkeit entliehen haben, das ist seine Grundsatzposition. Das Kind eines Kakaofarmers wuchs auf einer Kakaoplantage am Rand des Urwalds auf und musste erleben, wie sein Vater von einem Großgrundbesitzer erschossen wurde. Als 19-jähriger Journalist in Rio de Janeiro legt er 1932 seinen ersten Roman "Im Land des Karneval" vor und tritt in die kommunistische Partei ein. Es folgen Haft und Exil und nach einem Intermezzo als Kongressabgeordneter der KP 1946-48 wiederum die Flucht vor der Militärdiktatur. Amado hält sich vor allem in sozialistischen Ländern Europas und Asiens auf. Er lernt Ilja Ehrenburg, Bertolt Brecht und Anna Seghers kennen und verkehrt in Paris mit Sartre, Picasso und Aragon. Wie andere auch äußert sich Amado hymnisch über Stalin, zieht sich aber nach der Chruschtschow-Rede 1956 aus der Politik zurück. Ungeachtet dieser schwierigen und durchaus gefährdenden Umstände verfasst Amado neben einer Biographie des brasilianischen KP-Führers weiter Romane - sieben sind es allein bis 1950. Von den Werken der Frühzeit ist "Herren des Strandes" (1937, deutsch 1951) am bekanntesten, die Erzählung von Pedro Bala und seiner Bande verstossener Jugendlicher, die durch Raub ihr Leben im Hafenspeicher von Bahia fristen.

Amado zeigt die Jugendlichen nicht als Subproletarier, sondern als Entrechtete. Seine sozialistische Überzeugung verleugnete er auch nach dem Rückzug aus der Politik nicht. Manchem Kritiker kommt daher nicht wie der französischen Bäckerin Victor Hugo in den Sinn, sondern der sozialistische Realismus. Parteilichkeit, Volksverbundenheit und Volkstümlichkeit jedenfalls besitzen Amados Romane zweifellos. Bei der Identifikationsfigur des positiven Helden gibt es allerdings meist Schwierigkeiten, selbst wenn man den spezifischen Entwicklungsstand Brasiliens in Rechnung stellt. Eine Hure als Heldin hielt der Ostberliner Verlag "Volk & Welt", der Jorge Amado früh für die DDR entdeckte, für nicht hinnehmbar.

Auf die oft deftige Prise Erotik weisen schon die Titel der erfolgreichsten Amado-Romane hin: "Gabriela wie Zimt und Nelken" - eine Mulattin, die weiß, ihre freizügigen Wünsche zu erfüllen, und "Dona Flor und ihre beiden Ehemänner" haben ebenfalls viel Spaß miteinander, obwohl einer der beiden doch tot zu sein schien. Der zweite Schlüssel für den Erfolg Amados auch in Kino und Fernsehen heißt Übersichtlichkeit. In seiner Welt haben die einen schlechte Zähne und trinken Rum, die anderen sind nüchtern, mutig und sinnlich. Die Guten haben eben keinen Mundgeruch.

Die Romane des größten brasilianschen Autors spielen meist in oder um Salvador, wo Amado seit 1952 lebte. Im historischen Viertel Pelourinho befindet sich seit 1987 die Fundacao Casa de Jorge Amado. Sie wird nun zur Nachlassverwalterin. Jorge Amado ist wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag, der am Freitag gewesen wäre, jetzt an Herzversagen gestorben.

Jörg Plath

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