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Kultur: Kann das weg?

„Waste Land“: Lucy Walker dokumentiert ein Kunstprojekt aus Müll in Rio de Janeiro

Catadores nennen sie sich, die selbständigen Recyclingspezialisten, die auf der Müllkippe Jardim Gramacho bei Rio de Janeiro praktische Mülltrennung betreiben. Dabei sammelt jeder von ihnen nur einen bestimmten Stoff : PVC oder Polycarbonat, Glas oder Pappreste, Alu oder Schwermetall. So arbeiten Tausende für sich und doch auch gemeinsam. Treffpunkte sind Irmas Imbissstand und die Waage des Zwischenhändlers, der die kargen Preise bestimmt. Drumherum hat die Gewerkschaft der Müllsammler für Klinik und Kindergarten gesorgt. So leben sie zwar am Existenzminimum, doch einigermaßen selbstbestimmt.

Der Bildhauer und Fotograf Vik Muniz wurde 1961 in Sao Paolo als Kind armer Leute geboren. Heute lebt er in New York, seine Arbeiten sind in Galerien in aller Welt zu sehen. Viele der Serien und Einzelstücke spielen mit Distanz und Nähe und der Verfremdung des Vertrauten durch Änderungen von Kontext und Material. „Pictures of Garbage“ ist ähnlich gelagert. Muniz will hier die Porträtierten aber auch zu Mitproduzenten machen. Dies bringt ihn auf die größte Müllkippe der Welt und zu den Catadores, mit denen er Klassiker europäischer Malerei aus Abfall nachlegt. In einer Lagerhalle werden die riesigen Müllcollagen aus der Höhe fotografiert, bevor die Fotos zur Auktion wandern.

Ein aufwändiges Projekt, für das Muniz eine Truppe eifriger Mitarbeiter beschäftigt. Darunter die Dokumentarfilmerin Lucy Walker („Blindsight“), die Muniz’ Kunstprojekt drei Jahre lang begleitet hat, von der ersten Ortserkundung bis zur Eröffnung einer großen Schau 2008 im Museu de Arte Moderna in Rio. Rückschläge gab es auch – und Diskussionen. Ist die Kluft zwischen den ungleichen Beteiligten nicht viel zu groß? Ist es nicht unverantwortlich, die Favela-Bewohner mit der großen Welt von Kunst und Luxus bekannt zu machen? Und wie werden sie das Ende des gemeinsamen Kunstprojektes verkraften?

Lucy Walker nutzt diese und andere Krisen als Spannungselemente einer klassischen Emanzipationsgeschichte, deren Charme man sich trotz solch durchschaubarer Effekte nicht entziehen mag. Die Wirklichkeit dürfte auch hier dunkler und widersprüchlicher aussehen als ihr dokumentarisches Abbild. Doch das stört nicht wirklich, weil Walkers Helden und Heldinnen stärker sind als solche Tricks und die kluge Montage die großen Themen Armut, globale Ungerechtigkeit, Müll und gemeinschaftliche Selbstorganisation so leicht und zwanglos zusammenführt. Silvia Hallensleben

Babylon Kreuzberg, Broadway, Filmtheater am Friedrichshain, Kant Kino, Hackesche Höfe (OmU)

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