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Kultur: Kassensturz

Berlins Opernorchester streiken. Wie lange noch?

Aufführungen, die später beginnen oder nach der Pause ohne Orchester weitergehen müssen: So machen die Musiker der Deutschen Oper und der Komischen Oper seit Anfang Oktober darauf aufmerksam, dass sie sich im Tarifstreit befinden. Bei der Premiere von „Don Giovanni“ am vergangenen Samstag in der Bismarckstraße boten die Musiker dagegen nicht weniger, sondern mehr Musik an. Im Foyer erklang Kammermusik, während Herren im Frack gelbe Flugblättchen verteilten. Das passt gut zu Mozarts Wüstling, der für sein Geld auch ausreichend Unterhaltung einfordert – und gleich drei Kapellen gegeneinander antreten lässt. Auch verursacht dieser Streikposten keinen Ärger bei den Besuchern. Doch was die Musiker mit ihrer Aktion wirklich erreichen wollen, bleibt für die meisten Zeugen des Spektakels im Dunkeln.

Wenn es nach der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) ginge, müssten sich die drei Berliner Opernorchester und das Konzerthausorchester im Streik befinden. Die Musikergewerkschaft wirft dem Land Berlin vor, die Aushilfenregelung des Flächentarifvertrags für diese Klangkörper übernehmen zu wollen, ohne bereit zu sein, auch den vollen Flächentarif zu zahlen. Das Publikum blieb von Streiks der Staatskapelle und des Konzerthausorchesters bislang verschont. Am Gendarmenmarkt setzt man auf das ruhige Gespräch, während für die Staatskapelle ein neuer Haustarifvertrag geschmiedet wird. Er wird das ohnehin bereits bestbezahlte Opernorchester der Stadt gewiss nicht schlechter stellen.

Bleiben die Orchester von Deutscher und Komischer Oper. In ihrem Flugblatt, das bei der „Don Giovanni“-Premiere verteilt wurde, fordern die Musiker ausdrücklich keine Übernahme des Bundestarifs, den ihre eigene Gewerkschaft durchdrücken will: Das würde 12 Prozent höhere Bezüge bedeuten. Dagegen streben die Streikenden eine „Wiederankopplung“ an den Tarif von Berlins öffentlichem Dienst an. Dabei wird deutlich, wie sehr sich zwei der drei Berliner Opernorchester abgehängt fühlen. Obwohl gemeinsam unter dem Dach der Opernstiftung untergebracht, können sie nichts dagegen tun, dass für Barenboims Staatskapelle Sonderkonditionen gelten. Als Stiefkinder im eigenen Haus suchen sie Halt in tariflicher Aufwertung.

Mit dem heutigen Donnerstag läuft das Angebot der Kulturverwaltung ab, auf dessen Grundlage am 28. September bereits Verträge für Solisten, die Opernchöre und das Staatsballett geschlossen wurden. Es soll einheitlich bleiben; den Musikern, ohnehin die Spitzenverdiener an den Opernhäusern, wird man keinen Zuschlag anbieten wollen. Stehen die Zeichen also weiter auf Streik, auf noch mehr Oper ohne Orchester? Kaum, dafür scheint das Mitgefühl des Publikums mit seinen gut subventionierten Musikern zu gering. Auch ist die Linie der Gewerkschaft wohl zu weit von der Berliner Basis an der Deutschen und der Komischen Oper entfernt. Diese wird nie verstehen, warum sie innerhalb der Opernstiftung kein Weltklasse-Salär wie die Kollegenschar von der Staatskapelle bezieht. Gegen den Sturz in die Realität hilft kein Streik. Ulrich Amling

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