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Die Kommunistin und Bürgerrechtlerin Angela Davis saß mehr als ein Jahr lang unschuldig in Haft.

© Berlinale

Panorama: Wahrheit ist lebensgefährlich

Pop und Protest: die Dokus „The Black Power Mixtape“ und „Mama Africa“ im PANORAMA.

Angela Davis versucht, nicht auszuflippen. In einer hellblau gestrichenen Zelle des California State Prison sitzt die Bürgerrechtsaktivistin 1972 einem schwedischen Interviewer gegenüber, der ihr naiv-unverblümte Fragen zu den Themen Revolution und Gewalt stellt.

Wäre er ein weißer US-Amerikaner, hätte sie ihn vielleicht angebrüllt – oder gar nicht erst empfangen. Doch für diesen hellblonden Typ aus Europa reißt sie sich zusammen und erklärt ihm, wie das ist, mit Gewalt aufzuwachsen. Etwa in ihrer Heimat Birmingham, Alabama, im damals noch rassengetrennten Süden, wo Weiße Bomben in die Häuser von Schwarzen legten. Am Ende ihres aufgebrachten Vortrags schlägt Davis noch einen Bogen zu den ersten Schwarzen, die „von den Küsten Afrikas gekidnapped wurden“. Der Interviewer schweigt.

Die afro-amerikanische Bürgerrechtsbewegung gesehen durch die Kameras des schwedischen Fernsehens – diese zunächst etwas abwegig erscheinende Perspektive der Dokumentation „The Black Power Mixtape 1967-1975“ entpuppt sich schnell als außerordentlich fruchtbar. Regisseur Göran Hugo Olsson hat altes 16-Millimeter-Material ausgewertet, das über 30 Jahre unbeachtet im Keller des schwedischen Fernsehens lag. Darunter viele Schätze wie das Gespräch mit Angela Davis, die mehr als ein Jahr lang unschuldig im Gefängnis saß, oder die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Interviews, das der Studentenführer Stokely Carmichael mit seiner Mutter führt.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Bürgerrechtsgruppe Black Panthers, über deren Verfolgung durch Polizei und Justiz mit viel Sympathie berichtet wird. Die Sprecher und Anwälte der Gruppe kommen ausgiebig zu Wort, Gegenstimmen gibt es nicht. Erstaunlich nah kommen die schwedischen Außenseiter an die Szene heran: Es gibt Bilder interner Black-Panther-Treffen sowie Aufnahmen ihrer Kindergruppen.

Kommentiert wird der komplett aus Originalmaterial montierte Film von schwarzen Soul- und Hip-Hop-Größen der Gegenwart: Erykah Badu, Talib Kweli, John Forté oder Questlove berichten vom Einfluss, den die Bewegung auf sie hatte und machen sich Gedanken zur gegenwärtigen Situation in den USA. Es ist schade, dass sie keinen Zusammenhang zu ihrer Musik herstellen, sind sie doch alle für sozial und politisch engagierte Inhalte bekannt. Überhaupt spielt Musik – trotz des „Mixtapes“ im Filmtitel – eine untergeordnete Rolle in dieser dennoch sehr aufschlussreichen Geschichtsstunde.

Mehr Musik und etwas weniger Politik gibt es dafür in einem weiteren Panorama-Dokumentarfilm: Mit „Mama Africa“ setzt der finnische Regisseur Mika Kaurismäki nach „Moro No Brasil“, „Brasileirinho – Grandes Encontros do Choro“ und zuletzt „Vesku“ die Reihe seiner Musikfilme fort. Diesmal steht die große südafrikanische Sängerin Miriam Makeba im Zentrum, deren Leben Kaurismäki ganz traditionell in einer Mischung aus Konzert- und Interviewaufnahmen sowie Erinnerungen von Familienmitgliedern und Weggefährten nachzeichnet.

Makeba, geboren 1932, wird in den fünfziger Jahren in ihrer Heimat mit Gesangs- gruppen wie den Manhattan Brothers und den Skylarks bekannt. Als sie in einer US-Doku auftritt, die sich gegen die Apartheid richtet, erklären die Behörden ihre Staatsbürgerschaft für beendet. Für die Sängerin beginnt ein über 30 Jahre andauerndes Exil – zunächst in den USA, deren Menschenrechtssituation ihr absurd erscheint. Den dortigen Rassismus kommentiert sie während eines TV-Interviews mit sanfter Stimme und einem Lächeln im Gesicht so: „Der Unterschied zwischen den USA und Südafrika ist klein. Er besteht darin, dass Südafrika wenigstens zugibt, was es ist.“

Es verwundert nicht, dass Makeba ins Umfeld der Bürgerrechtsbewegung gerät. Und so spielen einige Protagonisten aus „The Black Power Mixtape“ auch in „Mama Africa“ eine Rolle. Harry Belafonte etwa ist wieder zu sehen, der Miriam Makeba zu Beginn der Sechziger förderte und mit ihr auftrat. Noch wichtiger ist Stokely Carmichael, der 1968 ihr vierter Ehemann wurde. In einer Szene sitzt der charismatische Redner und Black- Power-Kämpfer ganz zurückhaltend neben ihr. Die Verbindung der beiden war für Makebas USA-Karriere fatal: Tourveranstalter und Radiostationen strichen sie aus dem Programm – ein Grund weiterzuziehen, diesmal nach Guinea.

„Ich singe keine Politik, ich singe die Wahrheit“, sagt sie immer wieder. Für politische Ziele kämpft sie trotzdem: 1963 bittet sie vor der UN-Vollversammlung um einen Boykott Südafrikas, sie unterstützt die panafrikanische Idee und singt bei Paul Simons „Graceland“-Tour den „Soweto Blues“. Kaurismäki lässt Makeba als grundgute „Mama Africa“ erstrahlen, die trotz vieler schmerzhafter Erfahrungen immer ans Geben und nie ans Aufgeben dachte. Es geht tatsächlich ein Zauber von ihr aus, den man besonders beim Betrachten der frühen Gesangsaufnahmen spürt.

Natürlich ist auch ihr bekanntester Song „Pata Pata“ zu hören. Makeba sagt dazu: „Ich mag Pata Pata nicht. Er hat keine Bedeutung. Es ist ein Lied übers Tanzen. Ich wünschte, ein anderes Stück wäre so populär. Aber die Leute wählen selbst, was sie mögen.“ Als Diplomatin hätte sie sicher auch eine gute Figur gemacht.

„The Black Power Mixtape“: Heute 20 Uhr (Cinestar 7); 13. 2., 12 Uhr (Cinestar 7); 18. 2., 17.30 Uhr (Cubix 7); „Mama Africa“: 12. 2., 17 Uhr (International); 13. 2., 14.30 Uhr (Cinestar 7); 14. 2., 17.30 Uhr (Cubix 7)

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