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Robin Hood: Vier Pfeile für ein Halleluja

Das Filmfest Cannes eröffnet heute mit Ridley Scotts "Robin Hood". Ab morgen läuft der Film im Kino.

Es gibt ein Leben vor dem Wald. Da führt der Weg durch Schlachten und Schlamm, durch Pech und Flammen und viel Blut. Man liegt in Frankreich zur Belagerung. König Richard Löwenherz, der zum alternden Hasenherz mutiert ist, plündert sich seinen Weg zurück nach England, nach erfolglosem Kreuzzug ins Heilige Land. Mit im Tross sind ein paar wüste Bogenschützen, Taschentrickser, Saufgesellen, die ihre kumpelhafte Offenheit gegenüber dem müden König bald im Block büßen müssen. Allerdings nicht lang: Richard fällt im Feld, die fahnenflüchtigen Jungs machen sich mit Königskrone, Königsschimmel und Königsschiff auf den Weg zurück nach England. Banaler wurden noch nie neue Ritter geschaffen.

Es ist ein völlig anderes Robin-HoodBild, das Ridley Scott jetzt in seinem Filmspektakel entwirft. Nicht mehr der edle Rächer der Enterbten steht im Mittelpunkt, der Adlige, der ein freies, gesetzloses Leben mit seiner Schar in den Wäldern um Nottingham führt, wie ihn zuletzt Kevin Costner 1991 zelebrierte. Stattdessen gibt es Robin, bevor er Robin Hood wurde. Einen Robin Longstride, Robin Langbogen, Söldner in König Richards Diensten, der seit über zehn Jahren im Feld steht, oft und gern kräftig zulangt und immer und zuallererst die eigene Haut zu retten weiß. Die höheren Ideale kommen erst später, wenn der in England zum Ritter aufgestiegene Bogenschütze in aller Öffentlichkeit für Freiheits- und Bürgerrechte plädiert, wie sie wenig später in der Magna Charta ihren Niederschlag finden werden. Aus dem Outlaw ist ein Staatsmann geworden, mit Obama-artiger Eloquenz.

Der Krieger, der zum Freiheitskämpfer wird. Die Story ist nicht ganz unbekannt. Schon in „The Gladiator“, Ridley Scotts Riesenerfolg von 2001, gab es eine vergleichbare Konstellation, schon damals auch mit Superstar Russell Crowe in der Hauptrolle. „Robin Hood“ nun, der heute Abend das Filmfestival von Cannes eröffnet, geht nicht viel anders vor, nur dass Setting und Kostüme aus Scotts missglücktem Kreuzzugsfilm „Königreich der Himmel“ von 2005 übernommen scheinen.

Ja, es waren blutige Zeiten, und das Mittelalter zeigt sich auch in England angemessen finster, mit ärmlichen Dörfern und schlammigen Feldern und einer hungrigen Bevölkerung, die von den Feudalherren, im Bund mit Frankreich, gnadenlos ausgepresst wird. Die Plausibilität allerdings bleibt manchmal auf der Strecke: Warum Prinz John (Oscar Isaac), der zunächst die neu zugestandenen Rechte zu achten schwört und begeistert gegen die Franzosen, angeführt von seinem Jugendfreund Godfrey (Mark Strong), ins Feld zieht, am Ende nichts mehr von den Versprechen wissen will, diesen plötzlichen Sinnesumschwung klärt der Film im Rausche des Showdowns nicht auf. Kann sein, dass neuer Grund und neuer Feind für eine Fortsetzung geschaffen werden musste.

Der Aufwand ist erheblich: Da wurden ganze Dörfer in den Wäldern nachgebaut und nach Lust und Laune wieder abgefackelt, mittelalterliche Burgen und Hallen erstehen in real und am Computer, zur Schluss-Schlacht am Strand hat man nicht nur die französische Flotte, sondern auch die Wucht des ganzen Ozeans gegen sich. Und jede Menge Männer, die brüllend in die Schlacht stürmen, immer voran Russell Crowe, dekorativ zu Pferd, als Anführer, der zielgenau seine Pfeile aussendet. Die treffen über Kilometer hinweg, mit der Wucht von Kanonenkugeln, und mit ihnen saust die Kamera über den Strand.

Erstaunlich eigentlich, dass die Geschosse nicht in 3-D auf den Zuschauer treffen, der technisch ohnehin fast erschlagen wird. Doch verglichen mit Spektakeln wie „Avatar“ ist „Robin Hood“ in jeder Weise vom alten Schlag. Traditionell, was das ungebrochene Heldenbild und die Lust an großem Ausstattungs- und Actionkino angeht. Vor allem aber traditionell in Hinblick auf das Frauenbild. Immerhin ist es eine Frau, Marion Loxley, die zu Robins Gegenpart wird und die nötige Romantik ins blutige Spektakel bringen soll. Die Witwe eines Kreuzritters, die, darin den Trümmerfrauen des Zweiten Weltkriegs nicht unähnlich, verzweifelt versucht, mit ihrem greisen, blinden Schwiegervater (Max von Sydow) und einer Handvoll Versehrter den heimatlichen Hof vor dem Zugriff der Kirche und plündernder Banden zu verteidigen. Nach dem Tod ihres Mannes muss sie sich in eine Scheinehe mit dem sich als Ritter ausgebenden Bogenschützen fügen, um den Hof nicht zu verlieren.

Die langhaarige, schrägäugige Cate Blanchett hätte in jeder Hinsicht das Zeug dazu, dem wilden Krieger mit dem weichen Herzen Paroli zu bieten – wenn man sie denn ließe. Zwar darf sie mit dem Dolche drohen, falls der Scheingatte sie anzurühren wagt, muss sich sofort darauf jedoch hinter durchsichtigen Vorhängen im Kerzenschein entkleiden. Und als sie am Ende in voller Rüstung in die Schlacht zieht, fällt sie vom Pferd, ins Wasser, und wird von ihrem Robin triumphal gerettet. Nur zur Erinnerung: Das ist die Frau, die als „Elizabeth“ einen ganzen Hofstaat in Schrecken hielt und hoch zu Ross Spanien in die Knie zwang. Als Lady Marion ist Cate Blanchett nur hübsche Dekoration.

Was umso schwerer wiegt, als es gegen ein Vorbild anzuspielen galt. Der alternde Robin Hood und seine Jugendliebe Marian hatten sich, in Gestalt von Sean Connery und Audrey Hepburn, in Richard Lesters „Robin und Marian“ 1976 wunderbare Schaugefechte geliefert. Wenn sich nun Robin und Marion im Wald wiederfinden, er hat endlich sein Reh erlegt, sie darf dazu seufzen, wie schön es doch in englischen Wäldern sei, ist das eine vergleichsweise fade Schlusspointe. Und eigentlich nur die Überleitung zur wahren Robin-Hood-Geschichte, die jetzt beginnen könnte. Es gibt ein Leben nach „Robin Hood“.

Ab Donnerstag in 25 Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony-Center und im Rollberg, am heutigen Mittwoch Previews in diversen Berliner Kinos. Die Astor-Filmlounge überträgt heute ab 18.30 Uhr die Eröffnung der Filmfestspiele Cannes per Satellit.

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