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KUNST Stücke: Schräge Winkel

Christiane Meixner blickt durch die Kamera auf eine andere Welt

Die Langshaw Street hat bessere Zeiten gesehen. Jetzt sind fast alle Fenster der kleinen Backsteinbauten in Manchester blind, und man möchte sich gar nicht vorstellen, wie das Leben in jenen paar Häuschen ist, die noch bewohnt wirken. Die anderen wurden mit Blechen vernagelt, und damit es jeder weiß, steht mit schwarzer Farbe auf den Türen: „All materials of value have been removed“ – Einbruch zwecklos.

Wertlos und im Wartemodus, das macht die Gegend spannend für Steffi Klenz. Die junge Fotografin aus Deutschland hat am Royal Collage of Art in London studiert. Seit längerem durchstreift sie die Insel auf der Suche nach entwurzelter Architektur, die nicht unbedingt abbruchreif sein muss: Für ihre Serie „Nunsuch“ hat sie Poundbury porträtiert, jene modellhafte Stadt auf den Ländereien von Prinz Charles, die der Utopie humanen Wohnens folgen mag, vor allem aber ein schauerliches architektonisches Potpourri ist. Dass Klenz die Orte menschenleer ablichtet, zwingt den Blick noch ein Stück näher an die Details.

„Nummianus“ heißt ihre aktuelle Serie aus Manchester (3600–11 000 Euro), und so spielerisch wie der Titel, der sich auf die Villa eines reichen pompejianischen Händlers bezieht, funktionieren auch die Querformate in der Galerie Wendt und Friedmann (Zehdenicker Straße 13, bis 15. Januar). Nach einiger Zeit erkennt man, dass ein paar Häuser zweimal fotografiert sind. Nun hängen sie wie Zwillinge nebeneinander und irritieren, weil die übrigen Reihenhäuser alles andere als identisch sind: Die wilden Renovierungsversuche der Vergangenheit lassen die Siedlung zu einem Tableau werden, auf dem sich die Bewohner mit ihrer Handschrift verewigt haben. Bis die Abrissbirne kommt ...

Eine Art Spurensicherung betreibt auch Peter Neusser. Der Münchner Fotograf war im Wald und auf der Straße – und er hat nicht bloß das Gesehene aufgezeichnet, sondern dazu seine eigenen Bewegungen im Raum dokumentiert.

„Strata“ in der Galerie J. J. Heckenhauer (Brunnenstraße 153, bis 2. Februar) zeigt deshalb mittlere Formate mit charmanten visuellen Überlagerungen. Die Serie (2600–3200 Euro) zeigt analoge Fotos, die mehrfach belichtet wurden und deren Motive derart miteinander verwoben sind, dass sie teils wie abstrakte Malerei wirken. 16 Mal etwa hat Neusser vom Fernsehturm auf das nächtliche Berlin geklickt: Sein Bild versammelt nun alle Himmelsrichtungen in einer einzigen Impression voller funkelnder Lichter. Auf einer anderen Fotografie vervielfachen sich die spiegelnden Fassaden eines Bürohauses, verschwimmen leicht und reflektieren dennoch, was in der nahen Umgebung zu sehen ist. Dazu gehören Autos und Fahrräder, nicht aber Passanten, die in seiner künstlerischen Arbeit ebenso wenig auftauchen wie bei Steffi Klenz.

Hier wie dort erzählt die Architektur stellvertretend von ihren Bewohnern. Zugleich sprengt beider Fotografie den Rahmen des Dokumentarischen, allein schon, weil Städte selten so verlassen sind. Hinzu kommen die feinen Verfremdungen. Sie lassen die Realität unscharf werden, weshalb man doppelt genau hinschaut – und mehr als sonst sieht.

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