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Kultur: Leise rieselt das Korn

Romantisch und poetisch: „Ein Sommersandtraum“

Benno rieselt. Erst ist es nur ein Sandkorn. Dann eine feine Spur im Flur, oder eine Portion, die aus dem Ärmel auf den Pasta-Teller fällt. Schließlich füllen sich Bennos zugebundene Hosenbeine binnen Minuten mit Sand, und bald sieht die Wohnung aus wie eine Strandbar.

„Schöne Metapher“ sagt Bennos Psychotherapeut. Recht hat er, auch wenn der verzweifelte Patient darauf beharrt, dass tatsächlich echter Sand aus ihm rieselt. Denn was sich da aus ihm löst, ist auch viel übersteigertes Selbstbewusstsein. Benno (Fabian Krüger) ist ein egozentrischer Kotzbrocken – nur wo nimmt der Mann die hohe Selbstwertschätzung eigentlich her?

Benno kennt sich aus mit klassischer Musik, schönen Frauen und alten Briefmarken. Aus dem Musikstudium ist nichts geworden, dafür arbeitet er im Philatelie-Fachhandel und zieht seine Kundschaft über den Tisch. Unter seiner Wohnung betreibt Sandra (Frölein da Capo) eine Bar, in der Benno regelmäßig frühstückt. Sandra träumt von einer Karriere als Ein-Frau-Orchester und macht abends das Café zu ihrer Bühne. Benno hasst die Ruhestörung und die Sängerin, was er schonungslos deutlich artikuliert. Aber ist das ein Grund, gleich loszurieseln und erotisch albzuträumen, ausgerechnet mit Sandra in der Hauptrolle?

„Ein Sommersandtraum“ des Schweizer Filmemachers Peter Luisi ist eine äußerst originelle romantische Komödie. Statt der üblichen Zuckersüße regieren hier tiefschwarzer Humor, drastische Verbalattacken und viel Poesie. Und so verwandelt sich die bitterböse Karikatur männlicher Selbstherrlichkeit, die im Zuge rieselnder Inkontinenz genussvoll in die Krise treibt, grotesk und unterhaltsam in das Märchen einer unfreiwilligen Liebe. Martin Schwickert

FaF Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kant, Moviemento und Yorck

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