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In Frankreich ein Klassiker. Der Dichter Pierre de Ronsard.

© imago/Leemage

Liebesgedichte von Pierre de Ronsard: Flammende Herzen, heiße Küsse

Petrarca wäre das zu weit gegangen: Deftige, wunderbar musikalische Liebesgedichte von Pierre de Ronsard.

Wer heute den Namen „Pléiade“ hört, denkt wohl zuerst an die edle Klassiker-Buchreihe des französischen Verlagshauses Gallimard. Einmal in die „Bibliothèque de la Pléiade“ aufgenommen, ist der literarische Olymp gesichert. Der Name geht zurück auf eine hierzulande kaum bekannte Dichtergruppe, deren Kopf Pierre de Ronsard (1524–1585) mit seinen „Œuvres complètes“ inzwischen auch in der Pléiade-Dünndruckausgabe im typischen Schafledereinband mit Goldprägung vorliegt.

Nach Übersetzungen suchte man in deutschen Buchhandlungen lange vergeblich, bis es der Berliner Elfenbein Verlag unternahm, Ronsards „Amoren“, seine meist in Sonettform gedichtete Liebeslyrik, die ihm den Ruf eines „französischen Petrarcas“ einbrachte, in drei kommentierten und zweisprachigen Bänden herauszugeben. Den „Amoren für Cassandre“ (2006) und den „Amoren für Marie“ (2010) folgen nun zum Abschluss der Edition die späten „Sonette für Hélène“ in der vor allem auf die Kunstfertigkeit der Form bedachten Übertragung des Dramaturgen Georg Holzer. Ronsard kann jetzt also endlich auch bei uns gelesen werden mit Zeilen wie folgenden: „Hélène, dein Name wie ein sanfter Wind,/ Der kühl mein Herz dran hindert, heißzulaufen,/ Vom Tugendregen in die Strengetraufen/ Schickt mich dein Aug; meins ist vor Liebe blind.“

Ronsard und die anderen, überwiegend adligen Mitglieder der Pléiade muss man sich als junge Wilde vorstellen. Sie hatten es sich auf die Fahnen geschrieben, gegen die zu Renaissance-Zeiten gängige Dominanz der lateinischen (und altgriechischen) Sprache aufzubegehren. Mit Verve warben sie für das Französische als ebenbürtige Sprache der Poesie. Tatsächlich publizierten die revoltierenden Dichter 1549 eine „Verteidigung“ der französischen Sprache und erteilten sich darin selbst den ritterlichen Auftrag, für deren ewigen Ruhm und Glanz ins Feld zu ziehen.

Ronsard war durch und durch Humanist

Der Erfolg ließ zwar auf sich warten – Ronsard versuchte es zunächst mit Oden à la Pindar oder Horaz, konnte damit aber nicht wirklich reüssieren. Der Durchbruch gelang 1552 mit seinen „Amoren für Cassandre“, deren schwungvolle Klangesfrische nichts zu wünschen übrig lässt: „Mit seinen Blumen und gesprungnen Blüten/ Lässt nun der Frühling meine Schmerzen blühn,/ Durch meine Nerven und Arterien ziehn/ Sich Feuer, die in meinen Knochen wüten.“

Wenn es sich bei dieser grandiosen Liebesschmerzlyrik nicht gleich um die Geburtsstunde französischer Nationalliteratur handelt, so doch um einen Quantensprung in deren Entstehungsprozess. Pierre de Ronsard bescherte sie nicht nur einen Publikumserfolg, sie brachte ihm auch die Gunst der Herrschenden ein, fortan trug er den Titel eines „Prince des poètes et poète des princes“. Lange schlug er sich dann mit den Plänen zu einem nationalen Versepos nach dem Vorbild der „Ilias“ oder der „Aeneis“ herum, seine „Franciade“ aber blieb Fragment.

Einerseits Avantgardisten avant la lettre, waren Ronsard und seine Gefolgsleute andererseits beinharte Traditionalisten, die Formen und Motive antiker Dichter nachahmten oder zu übertreffen suchten. Ronsard selbst war wie sein Zeitgenosse Montaigne durch und durch Humanist – und ein Barde. Seine Gedichte zeichnet vor allem eines aus: wunderbare Musikalität. Dem Einfluss des seinerzeit europaweit modischen Petrarkismus konnte er sich nicht entziehen. Der Italiener Petrarca galt – und gilt neben Shakespeare noch immer – als der Liebeslyriker schlechthin.

Wein wird getrunken und Brüste werden geküsst

Ronsard lässt sein lyrisches Ich nicht zufällig eine gewisse Cassandra Salviati besingen, eine Muse, die ihm auf ähnlich epiphanische Weise begegnet sein soll wie Petrarca die im „Canzoniere“ platonisch angebetete Laura. Im Zentrum stehen auch bei Ronsard die lustvollen Leiden des unerfüllt Liebenden, aber er gibt dem Sinnlich-Körperlichen, ja Bacchantischen Raum. Wein wird getrunken und Brüste werden geküsst. Er geht sogar fremd, wenn er in der Fortsetzung seiner „Amoren“ einem neuen Objekt der Begierde huldigt, der weit weniger entrückten Marie. Für Petrarca wäre so etwas undenkbar gewesen.

Aber Ronsard rivalisierte nicht nur mit Petrarca. Unbescheiden genug war er, es noch mit Homer aufzunehmen und in seinem formvollendeten, mitunter selbstironischen Spätwerk eine Hofdame Caterina de’ Medicis zu besingen – „wie Troja fürcht und lieb den Namen ich“, seine eigene Helena.

Pierre de Ronsard: Sonette für Hélène. Aus dem Französischen von Georg Holzer. Zweisprachige Ausgabe. Elfenbein Verlag, Berlin 2017. 240 S., 24 €.

Tobias Schwartz

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