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Kultur: Mal dir kein Glück aus

Silvesterhit: Die Revue „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ im Renaissance-Theater.

Was muss man anstellen, um das ehrwürdige Renaissance-Theater in eine aufgeheizte Jubelarena zu verwandeln? Auf den ersten Blick gar nicht so viel. Von Männern und Frauen erzählen, das reicht schon. „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“, heißt der Abend von Torsten Fischer und Herbert Schäfer, der die Zuschauer in Verzückung versetzt, im Untertitel: „Eine Revue über den kleinen Unterschied“. Es geht um Flirt und Verführung, Liebe und Sex, Alkoholgenuss und Hausarbeit, die großen Themen im ewigen Geschlechterduell, und klassisch hebt dieses Singspiel um Anziehung und Ausziehung auch an. Mit Goethes „Faust“: „Mein schönes Fräulein, darf ich’s wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?“

Drei Herren im Frack lässt Regisseur Fischer auf der Showbühne zur forcierten Brautschau antreten, Andreas Bieber, Roberto Guerra und Guntbert Warns, der als weiß geschminkter Mephisto mit roten Teufelshörnchen das Abgründige im Mann verkörpern darf. Anika Mauer und Helen Schneider geben in glitzernder Abendgarderobe die Umworbenen, denen die Avancen allerdings nicht nur Flügel verleihen. Mauers Gretchen jedenfalls greift zur Flasche, wenn es die Kummersätze spricht: „Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer und nimmermehr“.

Nun hat Goethes Revuetauglichkeit ihre Grenzen, weswegen sich der Horizont schnell weitet und vor allem die unsterblichen Lieder Friedrich Hollaenders sprechen, wo selbst die Entertainmentmacht des Teufels versagen muss. Vor allem das Thema Haarpracht gewinnt dabei an Dominanz. Etwa, wenn Guerra den Blauen-Engel-Hit „Nimm dich in Acht vor blonden Frauen“ anstimmt, dessen Zeilen auch heute nichts an Klangkraft verloren haben: „Mal dir kein Glück mit den blonden Kätzchen aus, eh du’s versiehst, kommen schon die Krallen raus“. Schneider kontert diesen charismatischen Sexismus funkelnd mit dem „Gentlemen Prefer Blondes“-Klassiker „Diamonds Are A Girl’s Best Friend“.

Besonders Hollaenders frivole 30er- Jahre-Hits sind wunderbar strapazierfähig. Bieber hebt an Gummiseilen zum Song „Ich mache alles mit den Beinen“ ab, Mauer lässt von tief unten die desillusionierte Herzenserzählung aufsteigen: „Als der Erste kam, der mich mit sich nahm...“. Die Bühnenband um Harry Ermer intoniert diese Evergreens, wie überhaupt den Potpourriabend, mit tadellosem Schmelz und pointiertem Timing.

Nach der Pause Travestie. Die Frauen tragen jetzt Frack, die Männer Straps, Guntbert Warns glänzt im roten Lackledermantel. Mutig! Eine Rocky-Horror- Picture-Show Marke Renaissance, die Shakespeare mit Grönemeyer kreuzt und in ihrer Ausgelassenheit keine Grenzen mehr kennt. Ein sicherer Silvesterhit, perfekte Unterhaltung, und als solche eine Kunst für sich. Patrick Wildermann

wieder am 18. bis 22.12., 20 Uhr

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