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Kultur: Marlene Dietrich: "Ich dachte, das wäre das Glück"

Diven sind männerfressende Ungeheuer. Wer sich mit ihnen einlässt, muss damit rechnen, verschlungen, ausgespuckt und weggeworfen zu werden.

Diven sind männerfressende Ungeheuer. Wer sich mit ihnen einlässt, muss damit rechnen, verschlungen, ausgespuckt und weggeworfen zu werden. "Wo andere Frauen ein Herz haben, hat diese Frau Eis. Sie hat mein Leben zerstört - es hat auch andere gegeben", wird in dem Film "The Scarlet Empress" über Marlene Dietrich gesagt. Der Satz dürfte dem Regisseur Josef von Sternberg aus der Seele gesprochen haben, schließlich war er mit seinem Star liiert und fortwährend eifersüchtig, meistens zurecht. Unglücklich gemacht hat sie die Männer vielleicht, aber zerstört, nein, das dann doch nicht. Die Liste ihrer Liebhaber reichte von John Gilbert und Maurice Chevalier über Erich Maria Remarque, George Raft und Jean Gabin bis zu John Wayne und Burt Bacharach, lauter berühmter Leute, deren Biografien durch Marlene D. keineswegs einen Knick bekommen haben. Die Liebe der Diva empfangen zu haben, darf auch als Trophäe gelten. "Sie hatte nichts von einer byronschen Heroine an sich, ihre Einstellung zur Intimität war einfach und unreflektiert", versichert ihr Biograf Donald Spoto.

Die Diva als Backfisch: nicht verrucht, bloß kokett. "Liebes Michelein! Ich danke Ihnen sehr für die Blumen! Wer hat Ihnen denn das erlaubt? Wollen Sie noch helfen mich zu verwöhnen? Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie mich heute mal besucht hätten. Wenn Sie morgen vor dem Tee Zeit haben, lassen Sie sich doch mal sehen, gell. Ich gebe mir große Mühe gesund zu werden! Herzlichst Marlene." So steht es in dem ersten von acht Briefen, die heute vom Auktionshaus Kastern in Hannover versteigert werden. Marlene-Briefe, mit energisch geschwungener Handschrift in schwarzer Tinte aufs orangefarbene Papier gebracht. Diese Briefe von 1921-22 sind Weltsensationen, denn vom Liebesleben der Schauspielerin aus der Zeit vor ihrem Ruhm hat man bislang nicht viel gewusst. Damals wollte sie noch Geigerin werden. Die gebürtige Schönebergerin ging nach Weimar, um bei Professor Robert Reitz an der Musikhochschule zu studieren. Quartier fand sie im Pensionat der Frau von Stein. Und sie fand ihr "Michelein", den jungen Bäcker Wilhelm Michel aus Hannover, der ebenfalls zur beruflichen Fortbildung in der Goethe-Stadt weilte.

Den Sommer 1921 müssen wir uns als Sommer der Liebe vorstellen. In den Briefen wird er retrospektiv beschworen. Michelein ist nach Hannover zurückgekehrt, um im väterlichen Betrieb wieder Kaisersemmeln und Mohnstriezeln zu backen, Marlene trauert ihm hinterher. Aber es bleibt immer beim korrekten "Sie". "Der erste Tag ohne Sie war schrecklich", klagt sie am 3. Oktober 1921. "Ich will, dass Sie sich amüsieren und hab Sie doch wieder in Ihrer Traurigkeit, wenn sie echt ist, doch lieber!" Als Lektüre empfiehlt sie das "Tagebuch einer Demie-vierge" von Marie Madleine, ein Werk, in dem man erfahren könne, dass "aller Kummer wie die Liebe letzten Endes nur Einbildung" sei. Zwei Wochen später versichert die Geigenschülerin: "Ich komme mir so leer vor, Michelein, ohne all die Liebe." Weitere zwei Wochen später fragt sie: "Tragen Sie mein Armband noch?"

Schmeicheln, schmollen, schwadronieren: Die Dietrich beherrscht die verbalen Waffen einer Frau. Dazu gehört auch, die Leidenschaft des fernen Geliebten durch den Hinweis auf Nebenbuhler zu befeuern. So ist in den Briefen von einem "Hansi" die Rede, mit dem sie zum Bauernball in den Kunstverein gehen werde. "Marlenchen zieht ihr Dirndlkleid an!" Auch "Günther" und ein "Graf Wedel" werden erwähnt, letzterer "bemüht sich, Sie zu ersetzen". Sogar eine lesbische Offerte, spätere erotische Eskapaden der Elevin vorwegnehmend, kommt ins Spiel: "Eine Frau bombardiert mich mit Briefen und Blumen und behauptet mich zu lieben. Aus Neugierde hätte ich mich mal näher nach ihr umgeschaut."

Wegen einer Sehnenentzündung gibt die Dietrich ihr Geigenstudium auf, geht zurück nach Berlin. Ihre beiden letzten Briefe schreibt sie auf schlichtem weißen Papier: "Einsamkeit ist das Schlimmste was es gibt! Ich habe mir die Geige geben lassen und spiel Ihr Lied und bemühe mich, daß die Tränen nicht auf die Geige fallen." Auch ein kleines, in Stoff eingeschlagenes Tagebuch mit dem Titel "Unvergessenes Weimar 1920-21" hat sie ihrem "Michelein" geschickt. Darin: Liebeskummerlyrik. "Es ist traurig, daß ich / dich hab lieben müssen-- / So traurig, wie man es / garnicht sagen kann!- / Du bist so jung- / und ich dachte / das wäre das Glück / zusammen jung zu sein. / Aber du hast es nicht / gewollt / und das hat weh getan. / Draußen fallen die / Blätter im Winde!- / Ich wünschte der Wind / trüg meinen Kummer fort / den ich um dich habe-"

Der Rest ist Filmgeschichte: Marlene erobert die Berliner Bühnen, spielt die "Lola Lola" im "Blauen Engel", emigriert nach Amerika, erobert Hollywood, wird Anti-Nazi-Aktivistin, Weltstar, Legende. Willy "Michelein" Michel geht den umgekehrten Weg: bleibt in Hannover, tritt 1930 in die NSDAP ein, macht Karriere, wird Bürgervorsteher, Ratsherr, Wehrwirtschaftsführer für Niedersachsen. Seine Frau Grete, die er in den dreißiger Jahren heiratete, starb jetzt im Alter von 101 Jahren. In ihrem Nachlass wurden die Dietrich-Briefe entdeckt.

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