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Baustelle. Das ehemalige Atelier von Arno Breker am Käuzchensteig 8.

© Thilo Rückeis

Moderne Kunst im NS-Gebäude: Brekers Atelier, Heiligers Hallen

Als "Staatsatelier" wurde für den Bildhauer Arno Breker im "Dritten Reich" ein gewaltiges Domizil am Rande des Grunewalds gebaut. Jetzt soll dort das neue Kunsthaus Dahlem entstehen - als Museum für Skulpturen der Nachkriegsmoderne

Noch sieht es wüst aus am Käuzchensteig 8. Bauarbeiter karren Betonbrocken aus der Tür des historischen Backsteinbaus, innen liegt der Schutt kniehoch in den Räumen. Aber die gewaltig dimensionierten, hohen Fenster lassen selbst an einem trüben Herbsttag viel Licht ein. Ab kommendem Sommer soll im Kunsthaus Dahlem, so der Name, am Rande des Grunewalds die Nachkriegsmoderne aus Ost- und Westdeutschland gezeigt werden, so Direktorin Dorothea Schöne. Hinter dem neuen Museumsprojekt steht eine private Stiftung, ein Ableger der Bernhard-Heiliger-Stiftung, die seit Jahrzehnten den Ort hütet.

So bilden die Werke des Berliner Bildhauers, wenig überraschend, den Grundstock des künftigen Ausstellungsprogramms. Zur Eröffnung soll schwerpunktmäßig Berliner Bildhauerkunst zwischen 1945 und dem Mauerbau zu sehen sein, ergänzt durch Grafiken und Gemälde. Gefördert wird das Kunsthaus vom Land Berlin, dem das Anwesen gehört. Die 1,2 Millionen Euro teuren Umbaumaßnahmen finanziert die Lottostiftung.

Spannend ist die Geschichte der Immobilie selbst. Am Käuzchensteig ließ Adolf Hitler den Wald roden, um für regimetreue Künstler eine Reihe von insgesamt 20 großen Staatsateliers zu errichten. Die auserwählten Bildhauer, Maler und Architekten sollten den von Albert Speer geplanten Umbau Berlins zur Reichshauptstadt Germania unterstützen. Nur das Atelier für den Bildhauer Arno Breker wurde 1942 fertiggestellt. Zum Arbeiten kam er hier allerdings kaum noch. Bombenangriffe ließen die Glasdächer der riesigen, topmodern ausgestatteten Werkstatträume splittern. Breker werkelte danach lieber auf seinem Schloss Jäckelsbruch im Oderbruch, einem Geburtstagsgeschenk des Führers, an seinen martialischen Akten.

Von außen wirkt das ehemalige Staatsatelier mit seinem Ziegelmauerwerk und den eisernen Sprossenfenstern eher schlicht-funktional als machtvoll-repräsentativ. Aber die symmetrische Wucht des Baukörpers und seiner Details verraten die NS-Ästhetik. Zwei langgestreckte Steinfelder an der Fassade sollten vermutlich Relieffriese Brekers aufnehmen. Dazu kam es nicht mehr. Auch seine Künstlervilla nebenan blieb unausgeführt, auf ihren Fundamenten steht heute das Brücke-Museum.

Nach Kriegsende stand das Atelierhaus im Amerikanischen Sektor. Die Berliner Museen und die Kunsthochschule Weißensee wollten die sperrige, abgelegene Immobilie nicht haben. So zog Bernhard Heiliger 1949 ins ehemalige Privatatelier Brekers im Ostflügel ein. Für ihn war es eine Art Rückkehr, mit gemischten Gefühlen: Wenige Jahre zuvor hatte der junge Künstler noch bei Breker an der Berliner Akademie studiert.

Das gewaltige Breker-Atelier mit seinen neun Meter hohen Hallen war für Heiliger allein jedoch zu groß. Den Mitteltrakt nutzte 1961 der Italiener Emilia Vedova als DAAD-Stipendiat, um die Riesenbilder seines berühmten „Absurden Berliner Tagebuchs“ zu schaffen. Später zog man Zwischendecken und Wände ein, um Schachtelateliers für noch mehr Stipendiaten zu schaffen: Dorothy Iannone, Ayse Erkmen, Jimmie Durham, die internationale Szene gab sich die Klinke in die Hand. Im Westflügel nistete sich 1981 der Fluxus-Veteran Wolf Vostell ein, der bis zu seinem Tod fast zwei Jahrzehnte blieb. Schichten um Schichten kreativer Prozesse überlagern sich in diesem Bauwerk. Damit ist jetzt Schluss.

Nur eine Wandtafelausstellung im Entree wird künftig an die NS-Baugeschichte und die spätere Nutzung erinnern. Reicht das? Immerhin ist es das einzige erhaltene Atelierhaus der NS-Architektur neben dem nicht öffentlich zugänglichen Haus Josef Thoraks in München. Das Berliner Architektenbüro Kahlfeldt sorgt dafür, dass der Bau künftig wieder in seiner Originalsubstanz zu erleben sein wird. Spätere Einbauten werden entfernt. Unerwartet kamen dabei die originalen Eichentüren zum Vorschein. Im nächsten April wird das Haus, noch ohne Kunst, erstmals seine Pforten fürs Publikum öffnen. Im Juni startet dann die für zwei Jahre konzipierte Eröffnungsschau.

Die riesigen Hallen, dimensioniert für die gewaltigen Kunstprodukte der NS-Ära, bieten sich in der Tat als Ausstellungsort für Bildhauerarbeiten an. Der eigenartig neutrale Name Kunsthaus Dahlem blendet alle historischen Spannungen aus. Aber er schafft Raum für künftige Kurskorrekturen des Ausstellungsprogramms. Heiligers Erbe und die Nachkriegsära sollten dieses Haus mit seiner sperrigen Geschichte nicht allein dominieren.

www.kunsthaus-dahlem.de

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