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Barock verausgaben. Paula Rummel als Gans und Timothy Sharp in der Rolle des Hans brillieren in „Hans im Glück“ als Solisten

© Staatsoper/Vincent Stefan

Musiktheater für Kinder: Im Kuhdirndl ins All

Nur das Beste für die lieben Kleinen: Die schönen und sorgfältigen Inszenierungen „Hans im Glück“ an der Staatsoper und „Gold“ an der Deutschen Oper.

Das Wichtigste zuerst: An der Deutschen Oper und der Staatsoper reißt man sich für die Kinder fünf Beine aus! Die Zeiten, in denen das junge Publikum sich gnädigerweise in Generalproben setzen durfte oder mal eine kleine Führung durchs Haus bekam, sind vorbei, mehr noch, eine neue Musiktheater-Gattung und -Aufführungsweise scheint im Entstehen, angesiedelt in der schönen Mitte von Zugänglichkeit, kurzer Weile und perfekter Handwerkskunst.

Die Staatsoper mit David Robert Colemans „Hans im Glück“ hat sich dabei besonders ins Zeug gelegt. Vermutlich gab es schlicht mehr Geld, vielleicht ist die Staatsoper mit dem Librettisten und Dramaturgen der Produktion, Rainer O. Brinkmann, auch näher dran am Puls der szenischen Interpretation, die seit langem als Königsweg für die Vermittlungsarbeit im Bereich des Musiktheaters gilt. Jedenfalls ist in der Werkstatt am Schillertheater nicht nur echt Neue Musik zu hören, mit radikalem Zugriff auf die Instrumente, mit wunderbar zwischen Nonsens und großer Tradition schwebenden Passagen und einer temporeichen, raffiniert ausgetüftelten Partitur.

Mit dem Ensemble Quillo tritt auch ein Miniaturorchester an (Harry Lyth dirigiert im Torero-Kostüm), es gibt mit Timothy Sharp, Manos Kia und Paula Rummel drei hervorragende Gesangssolisten. Große Auftritte haben die Ausstatter Georg und Paul und die Handwerker der Staatsoper, die so herrliche Dinge geschaffen haben wie paarhufige Schuhe unter einem Kuhdirndl zur Euter-Handtasche. Und dann lässt Julia Haebler in ihrer Inszenierung auch noch zwei junge Männer von der Staatlichen Ballettschule durchs Bild tanzen, als Pferd, Schwein oder Alter Ego des jungen Hans im Pyjama, der anfangs im Bett liegt, seinen Vater mit Fragen nervt und die ganzen Erlebnisse rund um den schweren Klumpen Gold nur im Traum erlebt.

Wäre Oper nicht ohnehin ein so teures Vergnügen, müsste man sich fast Sorgen machen, dass sich die Staatsoper mit dieser Produktion auf eine barocke Weise verausgabt, als seien die vielen Kinder in der Werkstatt, die mit großen Augen und Ohren und geflüsterten Fragen zum Geschehen zuhören, nicht Berliner Jungs und Mädels, sondern stattdessen kleine Königinnen und Könige, vor denen man sich in höchster Perfektion verbeugt – und die sich das nur zu gern gefallen lassen.

Auch in „Gold“ an der Deutschen Oper hat man der Bühne (Dieuweke van Reij) große Sorgfalt gewidmet, mit Sandstrand oder Vergnügungspark in aufgeklappten Koffern, einem leisen Hallo an den Bühnen-Modellbau. Unterdessen bedient die Inszenierung von Annechien Koerselman andere Hebel; sie spricht das junge Publikum über das erprobte „Mitmachen“ und eine kindgerecht erzählte Geschichte an. Vor allem aber lebt die Produktion von der strahlend schlauen Sopranistin Christina Sidak, die sich, begleitet von Lukas Böhme am Schlagzeug, durch mehrere Rollen der Geschichte spielt und singt: Ein pudelbemützter Junge namens Jakob erfüllt seinen Eltern, vor allem der biestigen Mutter, alle Wünsche, bis er im Rausch von Weltraumfahrten und Thailand-Urlauben vom Meer verschluckt wird und verloren geht. Zum guten Ende sind die abermals verarmten Eltern froh, ihn wieder in die Arme schließen zu können. Es ist ein liebenswertes Stück – Leonard Evers’ Komposition mit ihrer Fokussierung auf Marimbafon und Stimme tritt hinter Wort und Erzählung zurück, zeigt keine Ironie, mitunter hat man sogar den Eindruck eines sehr schönen Hörbuches, das zufälligerweise auch noch anzuschauen ist. In solchen Maßstäben allerdings denkt das junge Publikum nicht, wie überhaupt, auch das beweist der Blick auf die zwei Produktionen, ja viele Wege zum Musiktheater führen: Kunstanspruch und Mitmachprinzip können in diesem Sinne nur gemeinsame Streiter, keine Konkurrenten sein.

Staatsoper: „Hans im Glück“, am 7., 9., 10., 12., 13., 14., 15., 16.12.; Deutsche Oper: „Gold“, am 7., 9., 10., 11., 12., 21., 22. 12.

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