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Großstadtkreuzer. Geschäftshaus Knesebeckstraße/Kurfürstendamm von Schwebes & Schoszberger (1966). Foto: Architekturmuseum

© Architekturmuseum der Technische

Kultur: Muster mit Wert

Das Architekturmuseum der Berliner TU zeigt seine Meisterblätter

124 632 digitalisierte Architekturbilder von 4055 Architekten, Planern und Fotografen sind in Endlosschleife zu bewundern, auf einem Monitor in der Ausstellung zum 125-jährigen Bestehen des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin. Das ist der vorläufige Endstand einer „den ganzen Bestand erfassenden Digitalisierungskampagne“, wie TU-Präsident Jörg Steinbach im Katalog berichtet, die nicht in eigenen Räumen stattfindet, sondern im „Mustersaal“ der Bauakademie, jenes virtuellen Appetizers am historischen Ort des Schinkel-Baus gegenüber dem Schlossplatz.

Das Architekturmuseum wird notorisch unterschätzt. „Nach großen Bestandsverlusten im Zweiten Weltkrieg und langen Jahren eines als ,Plansammlung’ eher verborgenen Daseins im Schatten einer mit ihren Traditionen eher fremdelnden Architektur ist das Museum vor wenigen Jahren wieder zu seinem historischen Namen zurückgekehrt“, so Steinbach. Würde man allerdings statt „Architektur“ das Wort „Universität“ einfügen, läge man richtiger. Umso schöner, dass die TU sich endlich wieder ihrer Herkunft und Geschichte entsinnt. Erst über die Nutzung des Bildarchivs, vorzugsweise am Computer, werden die Bestände wieder ins Gedächtnis der Gegenwart zurückgeholt.

In der Bauakademie, die einen der Vorläufer der TU und mit dem 1844 eröffneten Beuth-Schinkel-Museum einen des heutigen Museums bildet, können naturgemäß nur Ausschnitte aus dem Bestand gezeigt werden. Aber schon diese 125 Meisterwerke – für jedes Jahr eines – lassen den Rang der Sammlung erahnen.

Das 1886 im gerade fertiggestellten TU-Hauptgebäude in Charlottenburg eröffnete Museum hatte seine große Zeit in den frühen Jahren, als die auf den Historismus, auf das Abkupfern vergangener Baustile gerichtete Lehre Anschauungsmaterial benötigte. Nach dem Ersten Weltkrieg erlahmte mit dem Einsetzen einer neuen, traditionsfeindlichen Baugesinnung das Interesse, und schließlich wurde die kaum noch konsultierte Sammlung 1931 aus der Hochschule ausquartiert.

Die schönsten Blätter der Ausstellung belegen den schwankenden Verlauf der Museumshistorie. Nicht nur großartige, sondern auch im Format große Blätter zeigen die handwerkliche Brillanz des Historismus; etwa wenn Julius Raschdorff, der Erbauer des Berliner Doms, gleich noch eine Erweiterung des Schlosses samt gewaltigem Eckturm vorsieht. H.P. Berlages Amsterdamer Börse, der Gründungsbau der holländischen Moderne schlechthin, ist in einem Aquarell des Meisters dargestellt, Alfred Messels Darmstädter Museumsentwurf in beinahe impressionistischer Lichtführung. Die Zwischenkriegszeit jedoch, in der Berlin die Welthauptstadt des „neuen Bauens“ war, ist eine einzige Fehlstelle. Lediglich der Nachlass des sperrigen Einzelgängers Hans Poelzig konnte – noch 1936 – gesichert werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, durch den große Bestände verloren gingen, kamen Jahrzehnte des Kleinmuts. Eifersüchtiges Wegschließen der Blätter, Abgrenzungswahn gegenüber den anderen Architektursammlungen, von der Akademie der Künste über die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen bis zum Landesarchiv. Neuzugänge tröpfelten spärlich. Die vor zwei Jahren gemeinsam mit der Kunstbibliothek ausgerichtete Retrospektive zu Alfred Messel, dem Entwerfer des „Wertheim“-Wunderbauwerks am Leipziger Platz, weist in die richtige Richtung: Kooperation ohne Besitzneid.

Unter Hans-Dieter Nägelke, Museumsleiter seit 2003, hat sich das Architekturmuseum weit geöffnet – und dokumentiert sein Selbstbewusstsein mit einem fabelhaften Katalog mit 125 Abbildungen, einem Tausendstel des digitalisierten Bestandes. Übrigens: Auch die Ausstellungsstücke in der Bauakademie sind digital, Kopien der für den nicht klimatisierten Raum zu empfindlichen Originale.

Bauakademie (Zugang vom Schinkelplatz), bis 30. September, täglich 11–19 Uhr. Temporäres Café zu den Öffnungszeiten. Katalog im Verlag Ludwig,, geb. 19,80 €.

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