zum Hauptinhalt
Duett in Weiß. Zwei von 100 Akteuren der Revue in der Friedrichstraße. Foto: Davids

© DAVIDS

Friedrichstadtpalast: Nach dem "Qi"-Erfolg folgt die "Yma"-Premiere

Nach dem Sensationserfolg von "Qi" soll die neue Show "Yma" die Revue neu definieren. Doch bei der Medienpremiere wehte vorerst nur ein laues Lüftchen über die Weltbühne.

Am Bühnenhimmel glitzern metallische Mobiles und unzählige Leuchtdiodensterne. Zwischen rätselhaften Fabelwesen, von deren Köpfen schimmernde Reifrock-Gestelle bis zum Boden führen, schreitet ein Paar ganz in Weiß einher. Es singt ein schmalziges Synthiepop-Duett. Kitsch im Breitwandformat, künstliche Zauberwelten, Kostümorgien, überwältigender Dekorationsplunder – dafür lieben die Leute den Friedrichstadtpalast.

Über 400 000 Besucher kommen alljährlich in den Prunkbau aus DDR-Zeiten, wenn es gut läuft. In der vergangenen Saison lief es gut, denn mit der Revue „Qi“ war Intendant Berndt Schmidt die stilistische Kehrtwende gelungen. Statt verklemmt war alles offen schwul, statt barer Busen stimulierten muskulöse Männerbrüste die Fantasie. Als Höhepunkt der Show gab es eine Wrestling-Choreografie, die im Zungenkuss der Kontrahenten kulminierte. Nach Jahren der ästhetischen Stagnation schloss der Friedrichstadtpalast wieder an goldene Zeiten an, seine Anfänge in den späten Zwanzigern, als Impresario Erik Charell (dem das Schwule Museum gerade eine Ausstellung widmet) metrosexuelle Unterhaltung auf Weltniveau machte.

Durch den Sensationserfolg von „Qi“ strömten plötzlich auch junge, hippe Menschen in den Friedrichstadtpalast, die sich bislang darauf beschränkt hatten, hier ihre Verwandtschaft aus der Provinz abzusetzen. Das rettete den Amüsiertempel zwar vor drohender Insolvenz, baute aber auch einen enormen Erwartungsdruck für die Nachfolgeproduktion auf. Acht Millionen Euro hat Berndt Schmidt in „Yma“ gesteckt. Mit 100 Darstellern werden mehr Akteure aufgeboten als in jeder Las-Vegas-Show. Die Kostüme stammen von Society-Liebling Michael Michalsky. Ein „Tornado, der alle mitreißt“, war versprochen. Doch bei der Medienpremiere wehte nur ein laues Lüftchen über die größte Bühne der Welt.

Wie konnte das passieren, wo doch die Regisseure die üblichen sind, Jürgen Nass, seit Eröffnung vor 25 Jahren am Haus, und Roland Welke, seit 1998? Das größte Problem ist Andreas Swoboda: Er spielt Yma, die Traumfrau, ein Zwitterwesen – „zu schön, um wahr zu sein“, wie es der Untertitel verspricht, geschlechtlich uneindeutig, erotisch unersättlich, märchenhaft. Soweit die Theorie. In der Praxis ist Yma ohne jedes Charisma, trägt eine Managergattinnendauerwelle und nervt das Publikum mit halbgarem Frauen-und-Männer-passen-nicht-zusammen-Gequatsche. Die besseren Sprüche sind wortwörtlich bei der TV-Serie „Sex and the City“ geklaut, der Rest klingt wie Pointenabfall von Mario Barth.

Das zweite Problem ist die Musik. Mit „Get The Party Started“ von Pink, mit „Lady Marmalade“ und „Sex Machine“ soll der Saal gerockt werden. Doch die Band-Arrangements sind so weichgespült, die Solisten den Originalinterpreten so wenig ebenbürtig, dass die Tanznummern nicht zünden. Zudem lenken gigantische, flimmernde Videoleinwände von den Darstellern ab und machen die Bühne klein. Zäh ziehen sich die zweieinhalb Stunden hin.

Den Puls beschleunigen allein die Artistik-Einlagen – die tolle Trampolin-Truppe, die beiden Gummimenschen am Trapez. Doch dafür kann man auch in den Zirkus gehen. Sicher, die Girlreihe ist und bleibt ein Trumpf des Hauses. Die vorletzte, fetzige Ensemblenummer lässt erahnen, was möglich gewesen wäre, schon salbadert Tante Yma wieder los. Ein Flop, knallbunte, technisch überladene, aseptische Langeweile, leider. Zu wahr, um schön zu sein. Frederik Hanssen

Zur Startseite