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Kultur: Nach Intervention von Andrei Markovits entlässt die Böckler-Stiftung den Soziologie-Professor als Vertrauensdozenten

Unter dem Tagesordnungs-Punkt "Verschiedenes" platzte die Überraschung. Kurz vor Ende der turnusmäßigen Sitzung des DGB-Bundesvorstandes am 8.

Unter dem Tagesordnungs-Punkt "Verschiedenes" platzte die Überraschung. Kurz vor Ende der turnusmäßigen Sitzung des DGB-Bundesvorstandes am 8. Februar in Berlin ergriff Detlef Hensche "aus aktuellem Anlass" das Wort. Der Vorsitzende der IG Medien wollte sich zu einem "bedenklichen Vorgang" äußern - nämlich zum Fall Bernd Rabehl. Rabehl, ehemaliger Wortführer der 68er Studentenrevolte, hatte im Dezember 1998 in einer Rede vor der schlagenden Burschenschaft "Danubia" eine "politische Überfremdung" Deutschlands beklagt und vor der "Zersetzung der nationalen Identität" durch importierte Partisanenfraktionen gewarnt. Die Ansprache, die im rechten Zentralorgan "Junge Freiheit" veröffentlicht wurde, löste heftige Reaktionen bei Wissenschaftlern und ehemaligen Weggefährten aus. An der Freien Universität Berlin, wo Rabehl als Soziologie-Professor arbeitet, entbrannte eine skurille Auseinandersetzung mit Pudding-Attentaten und dem Diebstahl von Bronzebüsten. Auch im Umfeld der deutschen Gewerkschaften formierte sich Widerstand gegen Rabehls Thesen - schließlich war er kurz zuvor für drei weitere Jahre zum Vertrauensdozenten der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung berufen worden. Ein Protestbrief des amerikanischen Politologen Andrei S. Markovits im Tagesspiegel brachte das Fass am 29. Januar offenbar zum Überlaufen. In dem Schreiben ordnete der Deutschlandexperte aus Übersee Rabehl als Rechtsextremisten ein, der stellvertretend für anti-amerikanische und antisemitische Tendenzen in der deutschen Linken stehe. Der DGB sah sich plötzlich unter Handlungsdruck.

Bei den Gewerkschaftsbossen herrschte große Unruhe. Beobachter der DGB-Vorstandsitzung berichten von "heftigem Ärger" und "allgemeiner Betroffenheit" unter den Beteiligten. Die anwesenden Vertreter der Böckler-Stiftung, DGB-Chef Dieter Schulte und die HBV-Vorsitzende Margret Mönig-Raane, versprachen zügiges Handeln. Am Donnerstag fiel dann auf einer Sitzung des Stiftungsvorstandes die erwartete Entscheidung: Rabehl wurde "mit sofortiger Wirkung" von seinem Mandat als Vertrauensdozent entbunden - ein bislang einmaliger Vorgang. Hensche bewertet das gegenüber dem Tagesspiegel als "überfälligen Schritt". Ein Vertrauensmann der Gewerkschaften müsse ein "Mindestmaß an demokratischem Selbstverständnis" haben. Dies sei bei Rabehl nicht mehr der Fall, meint der IG-Medien-Chef.

Nikolaus Simon, Geschäftsführer der Böckler-Stiftung, sieht die Sache ähnlich: "Wenn jemand eine solche Rede hält, gehört er nicht mehr zu uns." Allerdings habe er versucht, die Zusammenarbeit mit Rabehl im Einvernehmen zu lösen. Eine gemeinsame Erklärung, mit der beide Seiten die Kooperation beenden, sei jedoch an Rabehl gescheitert. Simon weist Kritik zurück, er habe zu spät auf die Vorfälle reagiert: "Wir wollten keinen Präzedenzfall für ein Berufsverbot schaffen." Seit dem Frühjahr 1999 hatten mehrere gewerkschaftliche Organisationen gegen das Vertrauensmandat des ehemaligen SDS-Funktionärs protestiert. Resolutionen von Hamburger Stipendiaten der Stiftung, des Berliner Jugendausschusses der IG Metall oder der Redaktion der linken Zeitschrift "express" verhallten aber ohne Wirkung. Kirsten Huckenbeck vom "express" beschuldigt die Hans-Böckler-Stiftung, sie habe "die Sache unter der Decke halten" wollen. Nun sei plötzlich Aktionismus angesagt.

Vorwürfe ganz anderer Art formuliert der zum Außenseiter gestempelte Rabehl. Er spricht von einer Kampagne einer "dummen Linken", die sich nach dem Untergang des Sozialismus neue Feinde suchen müsse. Er selbst tauge nicht zum Rassisten, da er lediglich den Einfluss "militanter Gruppen" in Deutschland und Europa ansprechen wollte. Rabehl, der sich völlig überrascht von der Entscheidung zeigte, will sich nicht als fremdenfeindlich einstufen lassen. "Viele meiner Freunde sind Ausländer", sagt er. Und auch in den Gewerkschaften habe er nach wie vor "eine Menge Sympathisanten".Die gewerkschaftsinterne Debatte um Rabehl im Internet: www.labournet.de/rechten .

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