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Junge aus West-Berlin. Tim Renner 2006 vor dem ICC.

© Thilo Rückeis

Neuer Kulturstaatssekretär Berlins im Porträt: Tim Renner - Lichtjahre voraus

Der 1964 in Berlin geborene Tim Renner hatte eine ganz kurze Punk-Phase, machte dann beim Unterhaltungskonzern Universal Karriere und gründete mit "Motor" sein eigenes Firmenkonglomerat. Das Porträt eines nervösen Optimisten.

Sentimentalität ist nicht seine Sache, und Gejammer kann er nicht ausstehen. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, rief Tim Renner im Jahr 2002 seiner von Umsatzeinbrüchen gebeutelten Branche zu. „Unser Markt ist nicht in der Krise, unser Markt boomt. Wir haben ihn nur verschlafen.“ Seinen Optimismus ließ er sich nicht nehmen: „Der Bezug zur Musik und zu den Stars ist weiterhin groß, aber der Zugang führt nicht mehr über den Träger CD und damit über den Handel, sondern über multiple Flächen – Handy-Logos, Klingeltöne, Download-Videos MP3.“ Warum keine Klingeltöne verkaufen, wenn der Markt für CDs eingebrochen ist? „Der Unterschied zum Übergang von Vinyl zur CD“, konstatierte Renner, „ist dieses Mal nur, dass der Übergang nicht von der Musikindustrie moderiert wird.“

Tim Renner ist ein Macher, von dem eine quecksilbrige Nervosität ausgeht. Seiner Branche war er zumeist meilenweit voraus, allerdings konnte es vorkommen, dass er sich auch einmal verrannte. Die originellen Ideen gingen ihm nie aus. So postulierte er 2002, auf dem Höhepunkt der Musikkrise: „Schluss mit dem Jugendwahn!“ Zur These lieferte er die Fakten gleich mit: „Nur 14 Prozent unseres Umsatzes kommen von den 10- bis 19-Jährigen.“ Es folgt die Forderung: „Unsere Aufgabe ist es, den 40-jährigen Gelegenheitskäufer zu aktivieren.“ Renner wirkt wie der geborene Verkäufer, seiner Eloquenz kann man sich kaum entziehen.

Floskel „vom Punk zum Konzernchef“ hat er immer gehasst

Der künftige Berliner Kulturstaatssekretär bringt zweierlei in sein neues Amt mit: den Glamour eines Mannes aus dem Dunstkreis der Popstars und die Erfahrung eines erfolgreichen Unternehmers. Zu den Kernkompetenzen seiner Firma Motor Entertainment GmbH gehören Dienstleistungen für Musiker. So verhalf Renner dem ausgebrannten Sänger Marius Müller-Westernhagen zum Comeback, und jungen Bands wie Polarkreis 18 oder Virginia jetzt! verschaffte er erste Aufmerksamkeit.

Pop-Musiker können ihre Karrieren vertrauensvoll in seine Hände legen, zu den Angeboten seines Unternehmens gehören ein eigenes Label, das CDs herausbringt, der Dienstleister Motor Digital, der Aktivitäten im Netz organisiert, und ein eigenes Management. Wem es mit derlei Hilfe nicht gelingt, ins Scheinwerferlicht zu gelangen, dem ist nicht zu helfen.

Tim Renner gehört dem geburtenstärksten Jahrgang an, er wurde 1964 in Berlin geboren. Die Floskel „vom Punk zum Konzernchef“ hat er immer gehasst. Punk sei er nur zwei Tage lang gewesen. Als er mit einer Sicherheitsnadel hantierte, „da haben mich an der Bushaltestelle zwei ältere Damen ganz fürsorglich gefragt: Gott Junge, tut das nicht furchtbar weh?“ Fazit: „Meine Wirkung als Gesellschaftsschreck war äußerst begrenzt.“

Seine Karriere hat er früh gestartet. 1986 stieg er als Artists & Repertoire Manager, als Talentsucher, bei dem Plattenlabel Polydor ein. Er betreute Bands und Künstler wie Tocotronic, Element of Crime, Sportfreunde Stiller und Phillip Boa, die Berliner Band Rammstein baute er zum internationalen Erfolg auf.

Berlin - die Stadt, die „keine Angst hat, sich zu blamieren“

Als der Konzern Polygram mit Universal zu Universal Music Deutschland fusioniert hatte, stieg Renner 2001 zum Geschäftsführer auf. An Berlin mag er, dass die Stadt „keine Angst hat, sich zu blamieren“, gerne vergleicht er Berlin mit New York. „Das war auch am kreativsten, als es richtig pleite war. Da ist Rap entstanden.“ Die deutschen Bands lagen Renner besonders am Herzen, als Universal mehr und mehr von ihnen aussortierte, stieg Renner 2004 aus der Firma aus.

Seitdem hat er ein ganzes Firmenkonglomerat gegründet, das unter dem Begriff Motor steht. Unglücklich endete dagegen sein Engagement beim Radiosender MotorFM. Zwei Geschäftsführern warf er vor, die Vermarktung des Senders vernachlässigt zu haben. Der Streit endete vor Gericht, heute heißt der Sender FluxFM.

Renner, der auch Professor an der Pop-Akademie Baden-Württemberg ist, hat drei kluge Bücher über die Musikbranche geschrieben: „Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm“, „Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten“ und zuletzt, mit seinem Bruder Kai-Hinrich Renner: „Digital ist besser“. „Die letzte Szene, die ich noch verstanden habe, war Techno“, sagt er. „Auf einem Hip-Hop-Jam komme ich mir sowohl verloren als auch alt vor.“

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