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Tapfer. Sophie (Lisa Tomaschewsky) nach der Chemotherapie. Foto: Universum Film/dpa

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Kultur: Neun Perücken

Im Kino: Marc Rothemunds „Heute bin ich blond“.

Der Krebsfilm hat sich zu einem eigenen Genre entwickelt, mit klaren dramaturgischen Regeln. Anders als der Alkoholiker-, Junkie- oder Gehbehindertenfilm richtet er sich fast ausschließlich an ein weibliches Publikum. Obwohl selbst betroffen, scheinen Männer das Thema nicht zu mögen, lieber zelebrieren sie den Heroismus des Säufers oder des verunglückten Extremsportlers. Krebs passiert einfach, daraus lässt sich keine Heldengeschichte spinnen. Wobei das Kino der Krankheit dennoch einen Sinn abzugewinnen versucht; so spielte etwa Kate Hudson in „Kein Mittel gegen Liebe“ eine vergnügungssüchtige Karrierefrau, die während der Chemotherapie andere Lebensfreuden entdeckt (und von einem attraktiven Single-Arzt behandelt wird).

„Heute bin ich blond“ ist frei von solchen Geschmacklosigkeiten. Die intelligente, verantwortungsvolle Politologiestudentin Sophie (Lisa Tomaschewsky) hat keine Läuterung nötig. Nach dem ersten Schock versucht sie, ihre Krankheit rational anzugehen, legt sich neun Perücken zu, darunter auch eine blonde. Regisseur Marc Rothemund, der einige eher seichte Komödien und den soliden „Sophie Scholl“-Film gedreht hat, inszeniert auch die Geschichte dieser Sophie mit großer Geschmackssicherheit. Sophie van der Stap, auf deren autobiografischem Bestseller das Drehbuch basiert, ist wieder gesund, man weiß also, wie es ausgeht. Vielleicht hat sie einfach Glück gehabt, der Film suggeriert jedoch, die Heilung sei Folge einer positiven Lebenseinstellung. Sophies Politologiestudium wird beiläufig erwähnt: ein Film für ein junges, weibliches, in Prenzlauer Berg ansässiges Publikum, das sich mehr für Perücken als für Politik interessiert. Dass er dennoch beeindruckt, liegt auch an den detaillierten Therapieszenen. Frank Noack

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