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Das Leiden der Anderen. Eine Frau flieht mit ihren Kindern aus Mossul. Das Foto stammt aus dem Juni 2017.

© Felipe Dana/dpa

„Nichts bleibt“ von Willi Achten: Die Natur der Rache

In seinem Krimidebüt „Nichts bleibt“ erzählt Willi Achten von einem Kriegsfotograf, der von Rachegelüsten aufgefressen wird. Ein sprachlich starker, eindrücklicher Roman.

Er meint, alles gesehen zu haben. Und er meint, er könne trotzdem ein gutes, ja glückliches Leben leben. Franz Mathys ist Kriegsfotograf. Er macht die Art von Bildern, die ausgezeichnet werden. Gefolterte Frauen in Srebrenica, ein Mann in Somalia während der Steinigung. Doch Mathys hat einen kleinen Sohn und einen robusten Vater, dazu ein schön übersichtliches Leben in einem Dorf irgendwo in der Provinz, und so hat er einen zerbrechlichen Frieden geschlossen mit seinem Beruf, der vom Leid unbekannter Kriegsopfer abhängt.

Doch der 1958 geborene Willi Achten, der sich als Dichter und Erzähler seit vielen Jahren einen Namen gemacht hat, unterzieht Mathys in seinem ersten Krimi „Nichts bleibt“ gleich zwei Torturen. Sein Held verliert, was man nur verlieren kann in einem Leben, das von Verantwortung, Nähe und dem Glück der Nähe geprägt war. Die Frau hat er längst an einen Mann mit Geld und einem weniger rauen Leben abgeben müssen. Dann hat sein Junge einen schweren Unfall. Allein im Wald bricht er durch das Eis eines Tümpels und ertrinkt fast. Seine Frau verlangt den Jungen nun für sich. Wenig später wird Mathys Vater niedergeschlagen und schwer verletzt von zwei jungen Männern. Der Alte wird nie wieder aufstehen.

Achten malt die Seelenlandschaft mit Naturbeschreibungen

Es ist eine mächtige, anziehende Düsternis in diesem Roman. Sie geht von Mathys aus. Aber sie liegt auch über der Landschaft, in der sich das Geschehen entfaltet. Mathys und ein Freund lassen sich auf den Gedanken ein, dass der Überfall auf den Vater gerächt werden muss. Willi Achten beschreibt die fast manische Konzentration darauf mittels der Natur, die Mathys so mag. „Der Abend war schwül. Kein Vogel sang. Über dem Wald lag eine trügerische Ruhe. Die Bäume und der See nur eine Kulisse, die jemand gleich zur Seite schieben würde, und etwas käme zum Vorschein, etwas Unabänderliches, katastrophal und endgültig. Es musste nur noch Gestalt annehmen.“ Die Bestrafung wird vollzogen. Die beiden Schläger verstanden sich als wilde Künstler, eine irre Mischung aus Punkern und Tierschützern. Mathys und sein Freund machen ihnen die Todesangst, die sein Vater gehabt haben muss – und stellen die Demütigung als Video ins Netz.

Nach dem Tod des Vaters zieht Mathys in die Berge und wartet auf den letzten Akt der Tragödie. Für die Künstler-Schläger gilt, was für ihn galt: „Nichts aber tilgte die Demütigung. Sie wog am schwersten, die Kränkung, die narzisstische Wunde: Zu heilen war sie nur durch Rache.“ Die Gebirgslandschaft, die Willi Achten mit Worten malt, durch einen Herbst, einen Winter und eine Schneeschmelze hindurch, ist sprachlich selten stark und eindrücklich.

Willi Achten: Nichts bleibt. Roman. Pendragon, Bielefeld 2017. 374 Seiten, 17 €.

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