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Ausschnitt aus "Ratten und Mäuse" von Hans Verhagen der Stomme.

© Kupferstichkab., SMB, V.-H. Schneider

Niederländische Naturstudien in der Gemäldegalerie: Die Magie der kleinen Dinge

Flora, Fauna, Krabbeltierchen: Die Gemäldegalerie zeigt in der Ausstellung „Der Reiz des Kleinen“ niederländische Naturstudien.

Der kleine Kabinettraum der Gemäldegalerie ist selbst eine Miniatur. Wer sich hierher verirrt, wird mit 26 feinsten niederländischen Naturstudien beglückt. Die Blütenlese bestechend präziser Zeichnungen und Drucke fungiert als Seitenstück zur großen Maria Sibylla Merian-Schau eine Etage höher und beleuchtet, querbeet, was den Beobachtungsgeist der Künstler weckte. Winzige Walderdbeeren, blaue Akelei und Vergissmeinnicht ließ um 1500 ein unbekannter Miniaturist als Randzier um die stille Studierstube des Heiligen Markus wachsen. Unten krabbelt eine Raupe vorbei.

Rund 100 Jahre später hat sich die Naturstudie bei Roelant Savery zur Hauptsache emanzipiert. Der Tierspezialist konterfeit eine Grüne Meerkatze haargenau ab. Nicht in deren heimatlicher Sahararegion, sondern im kaiserlichen Tierpark Rudolfs II. in Prag begegnete der Maler dem dunklen Blick des gefangenen Tieres. Auch die Kette vergaß Savery nicht zu notieren. Er brauchte solche Tierstudien als Basismaterial für seine begehrten, vor Tierarten strotzenden Paradiesdarstellungen, von denen auch die Gemäldegalerie eine besitzt.

Nichts schrecke die Maler und ihre Kunden

Der Antwerpener Zeitgenosse Hans Verhagen der Stomme strichelte die Textur von Schildkrötenpanzern so exakt, dass sich die Spezies bis heute bestimmen lassen. Seine lebensgroßen Ratten und Mäuse sträuben niedlich ihr graues oder braunes Fell. Auch ein Albino ist darunter. Sonderbares und Fremdartiges faszinierte besonders. Bis ins Makabre überspitzte Meisterzeichner Jacques de Gheyn den Naturalismus. Eine tote Ratte zeigt er enthäutet und skelettiert.

Den als Wasserfarbenmaler dilettierenden Pastetenbäcker Johannes Bronkhorst reizten vor allem Vögel, wie der grüne Zeisig, dessen bescheidene Schönheit er minutiös in den Blick rückte. Was an Schönheit in der Natur steckt, der Maler muss es herausholen. Ungeziefer? Nichts schreckte die Maler und ihre Kunden. Wanze und Kohlweißling, Kakerlake und Hornisse: Durch gewitzte Kombinationen, scheinbar zufällig, animiert Rochus van Veen zu vergleichender Betrachtung. Seine Käufer waren gebildete Zeitgenossen wie die vermögende Pflanzenzüchterin und Kunstliebhaberin Agneta Block, für die auch Merian arbeitete.

Unersättlich wie Raupe Nimmersatt

Der Fauna stellen die Kuratoren in ebenso prächtigen Einzelblättern die Flora gegenüber, Lebensraum der Krabbeltierchen. Der Blattfraß an Primel oder Rose dokumentiert das frühe Verständnis von Biotop-Zusammenhängen. Das naturkundliche Interesse der niederländischen Zeitgenossen war so unersättlich wie der Raupen Hunger, aber stets gepaart mit Schönheitsdurst. Die Zeichnerin Alida Withoos, aus einer Künstlerfamilie wie Merian, befriedigt beides in ihrer zarten Darstellung eines Zweigs des asiatischen Zedrachbaums.

Dramatisch ins Helldunkel rückt Rembrandt ein einziges Schneckengehäuse. Wie nüchtern nehmen sich die dazugelegten echten Exemplare der „Conus marmoreus“ aus! Rembrandts Radiernadel umspinnt die Kugelschnecke mit feinen Lineamenten, bis sie geheimnisvoll, fast magisch wirkt. Nicht nur das Kunstvolle der Natur, auch die eigene Darstellungskunst bringt er so zur Geltung. Ein Kunststück en miniature.

Gemäldegalerie, bis 25.6., Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr

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