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Ohrenschmaus: Tenor Joseph Calleja begeistert in Bizets "Perlenfischern" an der Deutschen Oper Berlin

Manchmal ist es besonders beglückend, in der Oper "ganz Ohr" zu sein. Bei der konzertanten Aufführung von George Bizets Opernerstling fehlt die Inszenierung keine Sekunde lang - weil grandios musiziert wird

Oper ohne Inszenierung, ohne Bühnenbild, Maske und Kostüm – natürlich kann man das ein amputiertes Gesamtkunstwerk nennen. Oder eine willkommene Gelegenheit, um dem Ohr mal eine Chance zu geben im ewigen Kampf gegen die Dominanz des Auges. Wo Reizüberflutung herrscht, gewinnt regelmäßig die Optik gegen den akustischen Höreindruck, gerade auch im Musiktheater. In vielen bildmächtigen Inszenierungen der jüngeren Regietheater-Recken geht die musikalische Seite förmlich unter. Konzertante Opernaufführungen dagegen fördern das Kino im Kopf. Vor allem, wenn dabei so grandios musiziert und gesungen wird wie jetzt in der Deutschen Oper bei Georges Bizets „Les pêcheurs de perles“.

Guillermo Garcia Calvo holt wirklich das Maximum aus dem Bühnenerstling des blutjungen Bizet heraus. Dort, wo der 24-jährige Komponist bereits seine spätere große Fähigkeit zeigt, Atmosphäre mit musikalischen Mitteln zu erzeugen, tut es ihm der junge Spanier gleich. Wo Bizet hingegen noch im Schatten von Meyerbeer, Verdi und Gounod steht, sorgt Calvo durch präzises, farbenreiches Musizieren dafür, dass der dramatische Fluss nie ins Stocken gerät. Chor und Orchester folgen ihm mit höchster Aufmerksamkeit – und der fast ausverkaufte Saal ist erst ganz Ohr und schließlich völlig aus dem Häuschen. Da ist einer auf dem besten Weg, sich an der Bismarckstraße unverzichtbar zu machen.

Auf der Insel Ceylon, „in alter Zeit“ werben Nadir und Zurga um die Gunst der Priesterin Leila. Dabei geht nicht nur die Freundschaft in die Brüche, die im berühmten Duett des 1. Aktes beschworen wird. Nein, diese aus dem Setzkasten der Opernkonvention zusammengekleisterte Geschichte will man wirklich nicht szenisch nachgespielt sehen, weder traditionell mit braun getünchten Choristen am Pappmachéstrand noch modernisiert mit der Anbetung von Kim Jong Il statt Brahma. Auch Joseph Calleja ist es sicher angenehm, dass er sich hier nicht mit Kostümfragen herumplagen muss, sondern einfach Stimme sein kann. Herrlich strahlt sein Tenor, der immer so schön altmodisch klingt, hell und nasal, als käme er aus einem Grammophon.

Etienne Dupuis ist ihm ein ebenbürtiger Gegner im vokalen Liebesspiel, mit idealem, genuin französischem Baritonklang, blühend in der Höhe, weich und elegant in der Stimmführung, aber auch kraftvoll-kernig, wo es sein muss. Zwischen den Kontrahenten steht Patricia Ciofi und singt mit feinsten, raffinierten Pianoschattierungen ihre Koloraturen. Belcanto auf Ceylon. Ja, antwortet der euphorische Schlussapplaus: Für diese Insel waren wir wirklich reif!

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