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Florian David Fitz als Journalist Fabian.

© Heimatfilm GmbH&Co.KG/NFP/dpa

Packender Politthriller: "Die Lügen der Sieger": Wer hat die Macht: Regierung, Lobbyisten, Medien?

Schwarze Afghanistan-Kassen und giftige Chemie: Christoph Hochhäuslers neuer Politthriller wirft hochaktuelle politische Fragen auf und zeichnet eine beunruhigende Zukunftsvision Berlins.

Wer macht hier eigentlich Politik, die Regierung, die Lobbyisten oder die Medien? Anfang des Jahres sorgte die Zahl jener Lobbyisten für Aufregung, die einen Hausausweis für den Reichstag besitzen und dort auf Tuchfühlung mit Abgeordneten und Ministern gehen, abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Es sind gut 2200, also für jeden Abgeordneten drei bis vier Lobbyisten.

Mit der Transparenz ist es nicht weit her. Am heutigen Donnerstag wird vor dem Berliner Verwaltungsgericht ein Antrag der Internetplattform abgeordnetenwatch.de verhandelt, der von Union und SPD Auskunft über die Inhaber der von ihnen genehmigten Ausweise verlangt. Bislang haben nur die Oppositionsparteien ihre Listen veröffentlicht. „Die Lügen der Sieger“ von Christoph Hochhäusler ist gewissermaßen der Film zum Gerichtstermin.

Die Macht der Lobbyisten. Abhörskandale. Manipulation der Medien. Trouble im Verteidigungsministerium, traumatisierte Afghanistan-Veteranen, Giftmüllverklappung, Korruption in der Umweltpolitik – steht dieser Tage alles auf der Agenda. Ist er das endlich, der deutsche Politthriller aus dem Herzen der Berliner Republik? „Die Unbestechlichen“ in der deutschen Variante?

Stilsichere, atmosphärische Bilder

Zunächst einmal verfangen die Bilder. „Die Lügen der Sieger“ verschlägt einem weniger wegen des Sujets die Sprache als wegen der traumwandlerischen Atmosphäre des Films, wegen des hypnotischen Flows aus Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe. Nachtbilder, Überwachungs-Bilder, Glasfassaden, Lichtreflexionen, Schlieren, Überblendungen, verzeichnete Konturen, keine Übersicht, nirgends. Die Macht ist obskur, die Wirklichkeit aus dem Fokus geraten, fragmentiert und entmenschlicht – und sie sieht wunderschön aus dabei. Eine derart stilsichere, das Geschehen wachsam scannende Kamera (Reinhold Vorschneider), eine derart superbe Montage (Stefan Stabenow) sind selten im deutschen Kino.

Der Journalist Fabian (Florian David Fitz) arbeitet in der Hauptstadtredaktion eines Wochenmagazins (die Ähnlichkeiten mit dem „Spiegel“ aufweist) an einer Story über schwarze Afghanistan-Kassen der Bundeswehr. Als ihm die Volontärin Nadja (Lilith Stangenberg) zur Seite gestellt wird, setzt er sie auf eine Boulevardmeldung über einen grausigen Tod an, um sie loszuwerden: Im Gelsenkirchener Zoo ist ein Mann in die Löwengrube gesprungen, offenbar ein Verrückter. Bald stellt sich heraus, dass auch das Löwenopfer in Afghanistan stationiert war. Aber hat der Krieg ihn krank gemacht oder die giftige Chemie an seinem letzten Arbeitsplatz, einer Recyclingfirma?

Bei der Recherche stoßen Fabian und Nadja auf Mauern des Schweigens, bis ihnen anonyme Informationen zugespielt werden und ihre Story es auf den „Woche“-Titel schafft. Zu spät merkt Fabian, dass sie selber benutzt wurden, damit ein zweifelhaftes, chemiefreundliches Umweltgesetz das Parlament passieren kann. An dieser Enthüllung in eigener Sache hat sein Blatt jedoch kein Interesse. Beschädigt die Marke, sagt sein Chef.

Berlin wird eine suggestive Vision

Regisseur Hochhäusler schrieb das Drehbuch mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer, wie schon bei seinem Investmentbanker-Film „Unter dir die Stadt“. Realistische Charaktere zeichnen sie wieder nicht: Fabian ist supercool, zuckerkrank, dauerverschuldet, ein Porsche fahrender Single, der dem illegalen Glücksspiel frönt. In seiner mit neuester Elektronik ausgestatteten Redaktion sieht es ebenfalls aus wie in den goldenen Medien-Zeiten der Neunziger Jahre. Die halbherzige Liebelei, die das Script Fabian und Nadja andichtet, macht sie auch nicht gerade zu Menschen aus Fleisch und Blut. Und der Wirtschaftsminister, der Chefredakteur, die kriminellen Lobbyisten bleiben erst recht Stereotypen.

Sollen sie wohl auch, ein Genrefilm ist keine Reportage. Das Wesen eines Orts, einer Stadt weiß Hochhäusler dafür um so besser einzufangen. Alex und Kottbusser Tor, Kanzleramt, Hackescher Markt, Neue Nationalgalerie und die intime Anonymität eines vollen U-Bahn-Waggons, real, surreal, hyperreal – und das neue Berlin wird zur suggestiven Vision. Beunruhigender Film.

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