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Schuster

© Rückeis

Peter-Klaus Schuster: Mangel und Masse

Peter-Klaus Schuster, der scheidende Generaldirektor der Staatlichen Museen, über die Schlangen vor der MoMa-Ausstellung und das angespannte Verhältnis zu Privatsammlern.

Herr Schuster, zu Ihrem Abschied gibt es ein wahres Ausstellungsfestival zum „Kult des Künstlers“. Wie wollen Sie selbst in Erinnerung bleiben, als Kultfigur?

Darauf war ich nicht gefasst, dass man es so sieht. Für mich ist es wie eine Inszenierung, mit der man sein Nachbild modelliert, eine Komposition – am Anfang die große Ausstellung, „Das XX. Jahrhundert“, und etwas Bedeutendes am Ende. Ich wollte mich mit etwas Anständigem verabschieden.

Dann ist also die große Geste das Charakteristikum Ihrer Amtszeit?

Das stimmt. Bei diesen Ausstellungen wurde sichtbar, dass hier einer noch einmal alles unter seinem Auge hatte, als Generaldirektor und Direktor der Nationalgalerie in Personalunion. Das wird es so nicht mehr geben, denn fortan ist die Position wieder geteilt. Ich hatte das Glück im richtigen Moment am richtigen Platz zu sein, zusammen mit Klaus Dieter Lehmann als Präsident. Wir haben wenig ausgelassen, salopp gesagt, und die Gefechte gefochten, wie sie kamen.

Was würden Sie da als Ihren größten Erfolg bezeichnen?

Die Lebendigkeit der Staatlichen Museen, ihre Präsenz, und die Formel des Universalmuseums. 2005, als das MoMA in Berlin die deutsche Museumslandschaft verwandelte, also im Moment unseres eventhaftesten Auftretens, haben wir uns zum 175-jährigen Bestehen im Pergamonaltarsaal ein Kolloquium gegönnt: die Staatlichen Museen als eine gelehrte Anstalt, als Freistätte für Kunst und Wissenschaft. Am Überraschendsten in meiner Amtszeit war sicherlich, was uns mit dem Schlossareal gelungen ist, die Idee des Humboldtforums. Natürlich hätte ich mir noch den Vollzug der Rochade gewünscht: die Künste des 20. Jahrhunderts am Potsdamer Platz, wo schon immer das moderne Herz schlug, und die alten Meister, die Gemäldegalerie, drüben auf der Museumsinsel, wo das 19. Jahrhundert endet. Aber dieser Plan ist in den Köpfen angekommen.

Während Ihrer Amtszeit hat sich die Vermarktung der Staatlichen Museen stark geändert. Heute rollt für große Ausstellungen eine riesige PR-Maschinerie an. Läuft das nicht in die falsche Richtung?

Das kann es auch in die andere Richtung, etwa bei wissenschaftlichen Einrichtungen, die so gähnend langweilig sind, dass keiner mehr hingehen mag. Ich schmunzele immer, wenn ich von den Reinheitsgelübden irgendwelcher Nachfolger höre, dass sie kein Event mehr machen wollen. Das ist, als wenn man sagen würde, man möchte keine Ausstellung machen, in die mehr als zwei Besucher gehen. Ich halte das für töricht. Das ist doch Kulturpessimismus. In den Feuilletons heißt es dann „Masse statt Klasse“, und die Museen seien überlaufen von Touristen. Das hat für mich Züge von Publikumsbeschimpfung. Wir wissen doch gar nicht, ob die Leute nicht beim Durchgehen davon profitieren. Wir sollten uns nicht zu Hütern von irgendetwas aufschwingen, sondern primär den Zugang ermöglichen. Die Schlangen vor der MoMA-Ausstellungen waren ein Signal.

Das MoMA gilt auch als Sündenfall: Stehen die Museen seitdem unter dem Diktat der Quote?

Im Gegenteil. Das hat die Stadt befeuert und die deutsche Museumslandschaft verändert, denn seitdem muss man sich um seine Ausstellungen kümmern. Früher gab es zur Eröffnung nur eine intelligente Rede, und am Schluss wurde still wieder zugemacht. Inzwischen gibt es Veranstaltungen, Vorträge, nächtliche Führungen. Das ist eine Rundumtherapie; es wird ständig vermittelt, als wenn man Medizin reichen würde.

Der große Ermöglicher ist der Verein der Freunde der Nationalgalerie. Besteht nicht die Gefahr, dass die helfende Hand auch zur bestimmenden wird?

Nein, MoMA war nur durch die Staatlichen Museen möglich. Wir haben den attraktiven Ort, die Nationalgalerie, als ein Haus mit internationalem Renommee. Den Freunden leiht niemand etwas.

Die Gefahr einer Unterhöhlung, dass die Museen am Ende nur noch die Hülle stellen, sehen Sie also nicht?

Das ist eine konstruierte Gefahr. Wir haben seit zehn Jahren einen stabilen Haushalt. Seither hat niemand daran gedacht, ihn zu kürzen. Wir dürfen behalten, was wir verdienen. In unserem erfolgreichsten Jahr, 2007, haben wir immerhin 20 Millionen Euro verdient und mussten dann die bittere Pille schlucken, dass wir die Gelder als Betriebskosten ausgeben mussten und nicht ins Programm stecken konnten. Es ist eben nicht sexy, die Häuser zu unterhalten und letztlich das Toilettenpapier zu bezahlen. Die öffentliche Hand sorgt dafür, dass sich die Maschine bewegt.

Ein anderes Leitmotiv Ihrer Amtszeit lautete: Wir sammeln Sammler. Ist das nicht ebenfalls riskant?

Wir haben nur noch einen gemeinsamen Etat für große Erwerbungen, den wir zwischen den 16 Häusern nicht zerkrümeln wollen. Heutzutage überzeugt man nicht mehr mit einem einzelnen Richter-Bild, es muss schon sein RAF-Zyklus oder eine ganze Kollektion sein; dafür lässt sich die Bugwelle einer Sonderfinanzierung erzeugen, wie damals bei der Berggruen-Sammlung. Das Sammeln von Sammlern ist eine strategische List.

Erfüllt Sie das zunehmend angespannte Verhältnis zwischen Privatsammlern und öffentlichen Häusern nicht mit Sorge?

Wir haben unsere Kräche gehabt, aber am Schluss ist es für die Berliner Museen immer gut ausgegangen. Unser Modell lautet: Die Kunst kommt von den Sammlern, wir stellen Gebäude und Betrieb. Friedrich Christian Flick hat zusätzlich das Haus hergerichtet, ebenso Helmut Newton. Wir kommen miteinander aus, wie man auch jetzt an Flicks Schenkung sehen konnte, der größten Gabe, die die Nationalgalerie seit ihrer Gründung erhalten hat. Flick sagt selbst, in sein Museum in Zürich wären nur wenige gekommen, aber in einem großen Museumskomplex wird seine Sammlung sinnvoll erschlossen. Ein Gewinn also für beide.

Bei einer solchen Konstellation entscheiden die Häuser kaum noch selbst, was sie erwerben wollen und wie sie es kunsthistorisch in ein Blickfeld stellen wollen.

Ihrer Argumentation fehlt die materielle Basis. Wir entscheiden immer noch, welche Sammlungen gut genug sind. Wir haben Nischen gefunden – mit dem Verein der Freunde, der MoMA-Ausstellung. Da gab es auch schon diese verquere Argumentation: Wenn Ihr schon 12 Millionen Euro ausgebt für MoMA, warum kauft ihr nicht gleich mit dem Geld junge Kunst? Das Geld gab es aber noch nicht, es wurde erst verdient. Natürlich wäre es schöner, wenn die Kuratoren aus der Fülle des Kunstschaffens auswählen können. Ja! Geschenkt! Aber dafür gibt es kein Geld. Das Sammlersammeln ist die einzige Strategie, die es in dieser Finanzierungslandschaft noch gibt.

Wäre es nicht besser, den einzelnen Häuser größere Selbstständigkeit zu geben?

Nein, wo nichts ist, auch wenn Sie es 16 Mal teilen, wird es nicht mehr. Das gemeinsame Agieren, wie jetzt für das Humboldt-Forum, während in Dahlem noch alles nebeneinander liegt, gibt uns die Kraft. Wir sind nicht für die Zerstückelung, im Gegenteil. Wir machen aus dem Mangel das Beste.

In Ihre Ära fällt auch das erste außereuropäische Engagement gemeinsam mit München und Dresden in Dubai und China. Bewegen Sie sich in diesen Ländern auf zweifelhaftem Terrain?

Die Staatlichen Museen rechtfertigen sich als Institut der Aufklärung am besten, indem sie ihre Bestände allen zugänglich machen und dorthin begeben, wo die Menschen sind. Wir haben nicht diesen Legitimationsdruck wie andere große Museen durch die Kolonialgeschichte ihres Landes, die spüren, etwas zurückgeben zu müssen. Wir verstehen unser Engagement im Sinne eines wechselseitigen Aufklärens. Unsere große Afrika-Ausstellung in Brasilien war für das Land wie ein Erwachen, die Entdeckung der schwarzen Wurzeln. Dass die Welt nicht so gut ist, wie sie sein könnte und die Demokratie in China noch entwicklungsfähig ist, muss man zur Kenntnis nehmen. Wer, wenn nicht wir auf dem kulturellen Sektor, könnten da hilfreich sein?

Befürchten Sie nicht von der Politik vereinnahmt zu werden, etwa für wirtschaftliche Kooperationen?

Was Herr Steinmeier von der Kultur als einer der wichtigsten Säulen der Außenpolitik sagt, halte ich für richtig. Das ist in der zentralistischen französischen Museumslandschaft anders, wo eine politische Agentur Abu Dhabi organisiert, während die Museen nur beraten. Von einem solchen politischen Wollen, einer französischen Selbstverklärung, sind wir weit entfernt. Es gibt keinen Grund, Dinge, bevor sie sich falsch entwickeln, bereits scheel zu betrachten. Das ist wie im Verkehr: Wer rausgeht, muss aufpassen.

Sie hinterlassen Ihren Nachfolgern gewaltige Aufgaben: das Humboldt-Forum ...

... und damit verbunden die riesige Depotstadt Friedrichshagen und die sogenannten Museumshöfe, die Erweiterung des Bode-Museums. Da kommt die Gemäldegalerie nicht in die Ecke, wie einige befürchten, sondern es werden im Bode-Museum die südlichen Schulen zu sehen sein und im Erweiterungsbau die nördlichen Schulen. Jetzt erfolgt die Profilierung der Quartiere.

Was werden Sie selbst nach Ende Ihrer Amtszeit machen?

Ab Januar gehe ich für ein halbes Jahr nach Los Angeles ans Getty Museum als Research Fellow. Dort will ich über die Staatlichen Museen zwischen 1933 bis 1945 forschen, denn dort sind die Nachlässe vieler Kollegen, die emigrieren mussten. Ich stelle mir ganz naiv die Einstiegsfrage: Warum hat das damals so wenig geholfen, mit der Bildungslandschaft?

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

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