zum Hauptinhalt
Beady Eye.

© Steve Gullick

Beady Eye in der Columbiahalle: Eine Hälfte von Oasis

Gitarren weben sich ineinander, die Orgel psychedelisiert. Der Funke springt und es zündet sofort: Beady Eye spielten in der Columbiahalle.

Geblendet von grellem Licht und kreischendem Feedback drängen sich die Fans dicht vor der Bühne der Columbiahalle, während die Akteure oben zum dröhnenden Intro nur als Schattenrisse zu erahnen sind. Kurzes "Shock and Awe" im gleißenden Gegenlicht, dann sieht man sie, hört man sie, laut und gleißend, eine Wand aus massivem Sound: Beady Eye.

Links und rechts je eine elektrische Gitarre, gestützt von Bass, Schlagzeug und Keyboards. In der Mitte gockelt großmäulig Liam Gallagher, legt den Kopf schief, fährt sich mit großer Geste durch die pilzköpfigen Modhaare, herausfordernd arrogant, verschränkt die Arme auf dem Rücken einer zweireihigen Jacke im modischen Military Look mit sandigem Wüstentarnmuster und singt ins Mikro, schräg von unten, näselnd, leierig, gedehnt: "Four Letter Word". Über das Erwachsenwerden und vielleicht eigentlich doch nicht erwachsen werden wollen. Gallagher ist inzwischen 39. "Nothing ever lasts forever". Gitarren weben sich ineinander, die Orgel psychedelisiert. Der Funke springt und es zündet sofort. Der Laden brummt.

Im Jahr 2009 haben sich Oasis aufgelöst, die populärste aller britischen Sechziger-Jahre-Wiederbeleber-Bands. Nachdem sich die rauf- und rauschlustigen Brüder Noel und Liam Gallagher im Rauf und Runter ihrer explosiven Beziehung endgültig auseinandergezankt hatten und seitdem kein Wort mehr miteinander redeten, loderte längst ein neuer Konkurrenzkampf zwischen den Beiden, der von der Rockfachpresse genüsslich angefacht wurde: welcher der Brüder ist schneller mit einem eigenen Nach-Oasis-Album? Wem gelingt das bessere? Wer hat die besseren Songs? Wer gibt die besseren Konzerte?

In der gemeinsamen Band Oasis war der ältere Noel der überlegene Songschreiber, Gitarrist und musikalischer Überblicker, während der jüngere Liam als der versiertere Sänger den aufregenderen Frontmann abgegeben hatte. Eine ideale Symbiose ist im Bruderzwist zerbrochen.

Bei Liam ging es erstaunlich flott mit der Neuorientierung, mit seiner neuen Band Beady Eye. Deren Debütalbum. "Different Gear, Still Speeding" ist schon im Februar dieses Jahres erschienen, während Noel erst diese Woche sein Solo-Album "Noel Gallagher’s High Flying Birds" veröffentlicht hat. Aber was spielt das schon für eine Rolle?

Von musikalischer Neuorientierung kann man bei keinem der Brüder sprechen. Beide machen da weiter, wo sie mit Oasis aufgehört haben. Mit ihrer Vorliebe für die Vorbilder der 60er-Jahre, für melodischen Mersey-Beat und schlickigen R&B. Wobei Liam im Konkurrenzrennen leicht im Vorteil war. Hatte er doch im Handstreich die komplette Oasis-Belegschaft in seinen neuen Betrieb von Beady Eye übernommen. Und so ist die neue Band eine Art alter Oasis ohne Noel Gallagher und dessen Songs.

Der Sound im Konzert ist laut und gut. Andy Bell, vormals Bassist bei Oasis, spielt bei Beady Eye Gitarre und ergänzt sich exquisit mit dem alten Oasis-Gitarristen Gem Archer. Nahtlos flechten sie ihre rhythmischen Akkorde, rockenden Riffs und rasanten Soli ineinander, dass man zur Vermutung neigt, ohne den strengen Noel könnten sie freier, unbekümmerter und daher auch inspirierter und leidenschaftlicher drauflos brettern.

Ihre gemeinsam mit Liam Gallagher komponierten Songs können sich allemal hören lassen. Im Konzert noch besser als auf dem schon beachtlichen Debütalbum.

"Beatles and Stones" benennt im Titel die größten Idole und Einflüsse der Band, daran hat sich seit Oasis-Zeiten nichts geändert. Umso witziger ist es, dass ausgerechnet in diesem Song die deutlichste Inspiration von The Who kommt, und deren Gitarrenfigur ihres Hits "My Generation" aus dem Jahr 1965 Gem Archer trefflich auf seine Rickenbacker 330 überträgt. Keyboarder Matt Jones tinkelt Piano dazu, das an Nicky Hopkins' Sessions mit den Who erinnert. Und natürlich singt der blasierte Liam Gallagher, der noch nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass er sich für den Größten hält: "I'm gonna stand the test of time like Beatles and Stones".

Gallagher zieht den Kopf in den Kragen seiner Jacke, trinkt aus einer Flasche, schnöselt im Kreis und pfeffert die Pulle ins Publikum.

Andy Bell spielt Slidegitarre zu "In The Bubble With A Bullet". Man erinnert sich an The Faces. "The Roller" borgt sich einiges von John Lennon's "Instant Karma". "Kill For A Dream", eine Ballade mit Dudelsacksound mischt dann tatsächlich Stones und Beatles, mit Lalalas, die an "Hey Jude" denken lassen. "Wigwam" wiederum vermengt den Sound von Stones und Beatles während der psychedelischen Phase um 1967.

Nach einer guten Stunde haben Beady Eye, bis auf einen, alle Songs von ihrem Album gespielt, dazu noch ein paar B-Seiten ihrer Singles. Gallagher latscht in hochmütiger Pose davon, und die an die Verstärker gelehnten Gitarren jaulen nach. Jetzt warten wir auf Noels neue Band.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false