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Lena Meyer-Landrut: "Ich bin es gewohnt, offen über Sex zu reden"

Das neue Semester hat begonnen – und eine prominente Studentin ist dabei. Lena Meyer-Landrut über Philosophie, ihren Geiz und die Angst vorm Steuerbescheid.

Frau Meyer-Landrut …

Sollen wir uns nicht duzen?

Wäre Ihnen das lieber?

Kommt darauf an. Per du kann ich Menschen besser beschimpfen. Sie Arschloch!, das funktioniert nicht.

Mit Sie werden Sie als Erwachsene respektiert …

Das ist richtig.

… und unser Thema ist das Ende der Jugend, diese sorglose Zeit im Leben, wie gern behauptet wird.

Meine war total sorglos. Klar, wir hatten keine Millionen auf dem Konto. Und ich war öfter mal krank. Diese Probleme sehe ich rückwirkend als nicht so gute Phasen. Heute habe ich andere Sorgen.

Wegen Ihrer Karriere?

Natürlich, jeder Mensch hat die. Ob die Karriere weiterläuft oder ob man gefeuert wird. Mir kann auch jeden Tag ein Ziegel auf den Kopf fallen. Ich denke an solche Sachen, aber leide nicht darunter.

Sie beginnen gerade ein Studium in Köln. Haben Sie deshalb Bauchschmerzen?

Überhaupt nicht. Ich habe mich aus Interesse dafür entschieden.

Für die Fächer Philosophie und Afrikanistik.

Ehrlich gesagt, habe ich mich für Philosophie eingeschrieben und musste noch ein zulassungsfreies Fach dazuwählen. Und Afrikanistik hat mich am meisten fasziniert.

Philosophie, weil Ihnen früher Jostein Gaarders Buch „Sophies Welt“ so gefallen hat?

Genau! Mir gefielen die Vergleiche in dem Buch: Der Hase, der an einem Haar hinausklettert aus einem Zylinder und somit die Welt erreicht. Ich mag an dem Fach das freie Denken.

Was bereitet Ihnen überhaupt Kopfschmerzen?

Versicherungen abschließen, auf das Bürgeramt gehen, mich ummelden, meine Steuersachen klären. Solche Pflichtgänge finde ich unfassbar anstrengend und belastend. Vor allem weil das Sachen sind, die Konsequenzen haben, wenn ich sie nicht erledige.

Sie haben mit 20 die Jugend hinter sich?

Das Abitur ist das Ende der Jugend. Und Arbeit bedeutet für mich, wie man so blöd sagt: Jetzt geht der Ernst des Lebens los.

Marius Müller-Westernhagen hat Ihnen mal gesagt: „Im Leben musst du nur sterben und Steuern zahlen.“

Und ich war geschockt, als ich meinen ersten Steuerbescheid bekommen habe. Ich habe Abzüge von etwa 43 Prozent. Oh, doch so viel, habe ich gedacht. Und dann gleich die Frist verpasst, da musste ich Mahngebühren zahlen.

Sie haben über eine Million Platten verkauft, der Eurovision-Song „Satellite“ war ein Hit in Europa.

Klar habe ich Geld auf dem Konto. Aber das bedeutet für mich nicht, keine Geldsorgen zu haben. Ich bin sparsam, manchmal sogar geizig. Ich will mir nicht so viele Sachen kaufen.

Weil Sie Angst haben, dass das Geld einmal weg ist?

Ja. Ich habe Angst, dass eines Tages das Konto leer ist – und dann stehe ich da. Meine Mutter hat mich so erzogen …

... Ihre Mutter hat Sie allein erzogen, nachdem Ihr Vater sich kurz nach Ihrer Geburt von ihr trennte …

… und da konnte ich nur ausgeben, was ich auch hatte. Deshalb könnte ich mir nie ein Auto leasen oder etwas auf Ratenkredit kaufen. Das geht nicht in meinen Kopf.

Kommen Sie mit dem Überziehungskredit klar?

Ich habe gar keinen. Wollte ich nicht.

Gut verdienende Deutsche regen gerade an, mehr Steuern zu zahlen. Wären Sie dabei?

Das würde ich unterstützen. Allerdings möchte ich gerne wissen, wo das Geld investiert wird – und nicht, dass man davon neue Farben für Polizeiuniformen finanziert. Ähnlich sehe ich das bei Spenden. Natürlich ist es toll, wenn einer sagt: Ich spende nur für Afrika. Das heißt aber nicht, dass wir für Deutschland keine Gelder brauchen. Wir haben auch Obdachlose oder Waisenkinder.

Sind Sie in dem Zwiespalt, ob Sie helfen sollen?

Ich spende. Ich will keine Organisation nennen, vor allem aber in Deutschland. Früher haben wir auch für die Tsunami-Opfer gegeben, obwohl wir wenig hatten. Das gehört einfach dazu.

Sie können Spenden von der Steuer absetzen.

Ach Quatsch! Das kann man doch nicht wirklich? Da muss ich mal meinen Steuerberater fragen.

Legt der Ihr Geld an?

Ich mache das selber.

Charlotte Roche sagt, dass sie nur Betongeld hat – also in Immobilien anlegt.

Ich finde, noch habe ich zu wenig Geld, um mir eine Wohnung zu kaufen. Und einen Kredit aufnehmen, Sie wissen ja, das könnte ich nicht.

Wen würden Sie bei einer Geldanlage eher um Rat bitten: Ihre Mutter oder Ihren Mentor Stefan Raab?

Mit meiner Mutter über Geld zu reden, das ist schwierig. Ich bin in einer Phase, in der ich alles allein machen will. Das gehört zum Abnabelungsprozess dazu. Ich habe Menschen, die ich fragen kann, vielleicht nicht Stefan Raab, aber Berater bei meiner Agentur oder meinen Steuerberater. Ich beschäftige mich ungern damit, es ist so unsinnlich.

Was Lena über den Euro-Rettungsschirm und Facebook denkt, lesen Sie auf Seite 2.

Haben Sie Angst, wenn der Dax fällt?

Davon habe ich so wenig Ahnung, nein.

Was verbinden Sie mit den Milliarden Euro für den Rettungsschirm?

Das kann ich im Kopf nicht umsetzen. Davon bin ich zu weit entfernt.

Mit welcher Zahl können Sie etwas anfangen: der Milchpreis in Ihrem Supermarkt?

Oh Gott, 45 Cent. Stimmt das? Ich weiß, dass ich neulich einen Joghurt im Angebot für 29 Cent geholt habe. Da gab es nämlich zwei für den Preis von einem.

Gucken Sie auf Sonderangebote?

Muss ich nicht, mach ich aber.

Wir haben eine konkrete Zahl für Sie: 525 855.

Oh, dafür kriegt man ein gutes Reihenhaus in einer schönen Gegend von Hannover.

Eigentlich ist das die Anzahl Ihrer Facebook-Fans, Stand heute morgen.

Wahnsinn! Facebook habe ich immer gemacht. Natürlich nicht unter meinem richtigen Namen. Bei meiner Fan-Seite übernehme ich demnächst mehr.

Sie werden die negativen Kommentare lesen müssen. Warum tun Sie sich das an?

Das darf man sich nicht alles durchlesen. Da lassen Menschen ihre Aggressionen im Internet ab. Ich lege keinen Wert auf eine Meinung wie: Lena ist scheiße. Das filtere ich sofort aus. Das könnte mir Franz K. auch ins Gesicht sagen. Ist auch schon passiert. Da grüße ich freundlich und gehe weiter. Meine Mama hat mal gesagt: Dem Teufel gibt man zwei Stückchen Zucker mehr.

Als Sie 18 wurden, hatten Sie die Probleme nicht ...

Das war 2009, ein Geburtstag wie immer – zu Hause im Garten, mit Lagerfeuer und Gitarre.

Was haben Sie sich gewünscht?

Ein Hello-Kitty-Shampoo, solche Sachen.

Kein Auto?

Um Gottes willen, ich hätte mich über eine Monatskarte für den Großraum Hannover gefreut.

Den Führerschein haben Sie aber gemacht.

Mein Geburtstag war im Mai, Anfang August habe ich die praktische Prüfung dann geschafft.

Beim ersten Mal sind Sie durchgerasselt.

Der Fahrprüfer hat mich alles abgefragt: Profiltiefe, Anzeigentafel, wie viel Druck darf da sein und so weiter. Hab ich alles brav beantwortet. Dann sind wir in eine Tempo-30-Zone gefahren, ich habe schön ein- und ausgeparkt, aber leider einem Auto die Vorfahrt genommen. Da hat der Fahrlehrer gesagt: So Frau Meyer-Landrut, höchstwahrscheinlich wissen Sie noch den Weg zurück. Das war's, nach nur eineinhalb Minuten. Zwei Wochen später habe ich es dann geschafft.

Sie haben kürzlich gesagt, in Köln sind Sie noch „wie ein exotisches Tier, aber es muss nicht mehr angefasst und abfotografiert werden“.

Die Menschen starren und glotzen. Auf dem Bürgeramt, in der Stadt oder neulich bei Ikea. Da ging es sogar noch ein Stück weiter. Es gab eine Gruppe von sechs Mädchen, die ständig drei Meter hinter uns ging. Nicht gerade leise unterhielten die sich. „Nee, ist die das? Nein, also, eh, weiß ich nicht: Doch, das ist die Lena Meyer-Landrut.“ Die haben so geschrien, dass alle das mitbekamen. Ich habe mich schließlich umgedreht und gesagt: Girls, wenn ihr ein Foto haben wollt, sprecht mich doch einfach an. Dann gab es ein Foto, und es war okay.

Ist Anstarren qualitativ besser als Anfassen?

Körperkontakt finde ich nicht gut. Oft erlebe ich es nach Konzerten, wenn Fans mich an den Schultern an sich drücken. Da empfinde ich ein körperliches Unbehagen. Im Restaurant starren viele Menschen erst rüber, schalten unauffällig das Handy an, drehen sich in die entgegensetzte Richtung, reden weiter und machen dann ein Foto.

Gehen Sie dann hin?

Ja, andauernd. Die meisten kriegen ein Panikgefühl, als wären sie beim Schwarzfahren erwischt worden, und entschuldigen sich. Ganz wenige sind uneinsichtig und behaupten: Nee, ich hab kein Foto gemacht.

Verkleiden Sie sich doch.

Ich käme mir so blöd vor, wenn mich dann jemand erkennt, wie eine Unehrlichkeit wäre das. Ich kann damit nicht umgehen, lügen kann ich ja auch nicht.

Sie sind mal in Tränen ausgebrochen, als Sie als Kind etwas klauen wollten.

Haben alle in der Grundschule gemacht. Ich stand eines Tages im Supermarkt, dachte, jetzt wären Kaugummis cool, habe die genommen und noch vor dem Ausgang angefangen loszuheulen. „Ich wollte das nicht“, habe ich gestammelt, da hat mir die Verkäuferin die Kaugummis einfach geschenkt.

Wenn Sie ausgehen, zu welcher Musik tanzen Sie?

Ich gehe auf Konzerte und tanze dort. Letztes Jahr hat mir Fat Freddy’s Drop in Berlin gefallen.

Eine neuseeländische Dub-Reggae-Band.

Ich bin auch Fan von Techno und Minimal-House. In Berlin gehe ich manchmal ins Watergate, den Club finde ich gut.

Da waren Sie auf der Party-Insel Ibiza genau richtig, wo Sie im Sommer Urlaub gemacht haben.

Einmal war ich da in einem Club, im Pacha. Da fängt es nicht vor halb drei an, um halb sechs sind wir gegangen.

Erzählen Sie mal!

Wenn der französische DJ David Guetta auflegt, habe ich mir sagen lassen, können Sie sich nicht mehr eigenständig in der Masse bewegen. Da passen ja 3000 Menschen rein. Ich war an einem Abend da, wo es ruhiger war, es war zwar brechend voll, aber auf der Terrasse in der oberen Etage war es entspannt.

Mussten Sie Schlange stehen?

Es gab eine Riesenschlange, doch wir hatten das Glück, in dem angrenzenden Sushi-Restaurant zu essen. Und wenn man über einen bestimmten Betrag kommt, kann man einfach ins Pacha gehen. Die Summe wird einem noch vom Eintritt abgezogen. Das sind ja sonst unverschämte Preise. Der Eintritt kostet 60 Euro, eine Flasche Wasser, 0,2 Liter, 12 Euro. Die habe ich mir mit einem Freund geteilt. Überall standen riesige Champagnergläser, in denen sich halbnackte Frauen räkelten, und später gab es eine Strip-Show, bei der sich vier Menschen auszogen. Nicht so mein Stil.

Warum sind Sie nicht in den Vip-Bereich gegangen?

Das reizt mich nicht. Ich würde mitkommen, wenn mir das mal jemand anbietet. Tausende Euros auszugeben, um auf einer weißen Couch mit einer Moet-Chandon-Flasche zu sitzen, das ist es mir nicht wert.

Ein anderes Thema, das in der Jugend wichtig wird: Sex.

Ich bin es gewohnt, dass wir zu Hause offen über Sexualität reden. Vielleicht war ich deshalb nicht so schockiert wie viele, als ich vor zwei Jahren „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche gelesen habe. Gutes Buch, aber hat mir nicht die Augen geöffnet.

In einem Sexshop kann Sie nichts schockieren?

Haben Sie den Matthias-Schweighöfer-Film „What a Man“ gesehen? Da gab es eine Szene, an der Decke wurde so eine Art Schaukel angeschraubt ...

... ein Sling.

Ach, das nennt man so? Da hat sich eine Frau mit gespreizten Beinen reingelegt, Matthias Schweighöfer stand einfach davor und sollte so mit ihr Sex haben. Das hat mich schockiert.

Ob Lena Johnny Depp oder Matthias Schweighöfer favorisiert, lesen Sie im dritten Teil.

Machen wir mal eine Runde Entscheidungsfragen: Elektrische Zahnbürste oder manuelle?

Elektrische ist besser, ich weiß. Ich bürste nach wie vor mit Hand, nehme aber dafür Zahnseide.

Auto oder Bahn?

Auto. Da bin ich egoistisch. Bahnfahren ist mir zu anstrengend, weil mich die Menschen erkennen.

Ein oder vier Kinder?

Vier.

Johnny Depp oder Matthias Schweighöfer?

Matthias Schweighöfer, weil ich ihn kenne.

Welche Angst ist größer: Mal wie Casting-Show Sänger Daniel Küblböck gegen einen Gurkenlaster zu fahren oder wie Sängerin Indira Weis im Dschungelcamp zu landen?

Ganz klar, im Dschungelcamp zu landen. Wird aber nicht passieren.

Haben Sie die TV-Sendung verfolgt?

Ein wenig. Ich gucke, wenn ich abends mal im Hotel bin. Zu Hause schaue ich nur Filme und Serien auf DVD. So was wie „Grey’s Anatomy“, „How I Met Your Mother“, „Six Feet Under“.

Dafür hatten Sie genug Zeit, Sie haben für zwei Monate pausiert. Ist Ihnen da eine Last von den Schultern gefallen?

Hm, ich hatte jetzt nicht so viele Lasten zu tragen.

Sie haben den Eurovision Song Contest nicht gewonnen. Ihnen wurde so die Entscheidung abgenommen, nächstes Jahr wieder dabei zu sein.

Ich werde nach Baku fahren – als Touristin.

Das Gespräch führte Ulf Lippitz.

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